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Der Blaumilchkanal

Der Blaumilchkanal

Titel: Der Blaumilchkanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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untergebracht -, fand ich auf dem Tisch ein beinahe neues Notizbuch sowie zwei Flinten aus der Zeit der Französischen Revolution, daneben, zusammengekauert vor sich hin dösend, ein Zivilschützer, der soeben seine Wache beendet hatte. Er übergab mir das Kommando und murmelte schlaftrunken:
    »Immer um den Häuserblock herum... und wenn du fertig bist, laß alles auf dem Tisch liegen... gute Nacht...«
    Dann stieß er zwei undeutliche Flüche aus, den einen gegen die Terroristen, den anderen gegen unsere Regierung, und döste weiter.
    Das Problem war, daß unsere Dienstzeiten viel zu lange dauerten, nämlich vier volle Stunden. Und das taten sie deshalb, weil sich außer mir noch niemand freiwillig gemeldet hatte. Ich fragte nach Wechsler und erfuhr, daß er schlief. In seinem Bett. Er hätte die Zwischenzeit von drei bis sieben übernehmen sollen, aber er schlief, und so war ich dran, gemeinsam mit Isachar. Kamerad Halbschlaf händigte mir die Flinte aus. »Sie hat zwei Magazine«, grunzte er. »Der Ingenieur auf Nummer acht weiß, wie man das Zeug bedient, laß mich schlafen.« Kurz darauf erschien Isachar. Ich warf noch rasch einen Blick in das Logbuch. Die letzte Eintragung lautete: »Stellte um 01.35 einen Verdächtigen. Er behauptete, auf Nr. 14 zu wohnen. Wurde nachgeprüft. Wohnt auf Nr. 14. Das ist alles, glaube ich. Ende.«
    *
    Wir begannen unsere Wache. Isachar hatte seine Französische Revolution geschultert, ich trug die meine in der Hand. Sie besaß einen kräftigen Kolben, und wer damit eins über den Schädel bekam, war nicht zu beneiden.
    »Gehen wir ein wenig«, schlug Isachar vor. »Es regnet nicht.«
    Wir fielen in Marschtritt, um militärischer zu wirken. Die Patronen in meiner Tasche zogen meine Hosen hinunter und ließen meine Moral steigen. Achtung, hier kommen wir, linksrechts, links-rechts, schlaft ruhig, Nachbarn, wir schützen euch.
    Das einzige, was meine patriotische Hochstimmung ein wenig trübte, war die Monotonie des Unternehmens. Die trostlose Eintönigkeit. Wie lange kann man denn als erwachsener Mensch um einen Häuserblock herummarschieren, herum und wieder herum, und wenn's vorbei ist, nochmals herum?
    »Dauert's noch lange?« fragte ich nach einer Stunde des Rundumstapfens meinen Waffenbruder.
    Er sah auf seine Armbanduhr: »Noch drei Stunden und 54 Minuten.«
    Wir waren also erst sechs Minuten auf Wache. Merkwürdig. Ich hatte den Eindruck, daß es schon zu Ende ging. So kann man sich täuschen.
    Isachar sagte mir, daß er sowieso früh aufstehen müsse. Eine dringende Arbeit. Er ist in der chemischen Isolierungsbranche tätig. Das heißt, er stopft Mauerlöcher, damit's nicht hineinregnet.
    »Es gibt jetzt eine Menge neue Präparate«, belehrte er mich. »Wir verwenden keinen Kitt mehr, sondern eine großartige neue Flüssigkeit. Polygum. Auf Polyesterbasis. Wirklich hervorragend. Klebt nicht an der Kelle und trocknet in zwei Tagen. Wenn's nicht regnet.«
    Ich hing an seinen Lippen und warf von Zeit zu Zeit eine fachmännische Frage dazwischen, zum Beispiel über die Widerstandskraft von Polybumsti oder wie das heißt. Man kann ja nicht stundenlang mit einem Menschen herummarschieren, ohne ein Wort zu sprechen.
    »Es stimmt, die Belgier haben ein Isolationsmaterial auf den Markt gebracht, das keine Luftblasen macht«, gestand Isachar. »Aber das taugt meiner Meinung nach nur für undicht gewordene Grundmauern, die keiner direkten Feuchtigkeit ausgesetzt sind. Wenn's um große, luftige Räumlichkeiten geht, käme für mich nur Polyesterbasis in Frage.«
    Man sah ihm an, nicht für ein Vermögen würde er dieses belgische Zeug anrühren. Er ist ein Fachmann, er muß auf seinen Ruf achten, ein Fels in der Isolierbrandung. Glücklich der Mann, den Isachar isoliert!
    Leider wurde ich mit der Zeit ein wenig nervös. Ich interessiere mich sehr für alles Chemische, aber nicht die ganze Nacht lang. Vorsichtig sah ich auf meine Uhr, 40 Minuten vergangen. Also noch drei Stunden und 20 Minuten gründlicher Isolierung.
    »Dubcek«:, ich versuchte, dem Gespräch eine scharfe Wendung zu geben, »Dubcek wollte seinerzeit protestieren, als die Russen damals in die Tschechoslowakei einmarschierten, du erinnerst dich ...«
    Mir schwebte ein Themawechsel zum Politisch-Historischen vor. Ich hoffte bis zu Gorbatschow und Havel zu gelangen. Das heutige Tschechien schien mir ein guter Ausgangspunkt zu sein.
    Isachar ging bereitwillig darauf ein: »Ganz in der Nähe von hier wohnt ein tschechisches

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