Der Blaumilchkanal
Ehepaar. Vorige Woche habe ich ihnen das Dach repariert. Mit einem Spezialsilikonmantel auf Polyesterbasis.«
Verzweifelt hielt ich nach irgend etwas Ausschau, was für Zivilschutz geeignet gewesen wäre, aber die Gegend war niederschmetternd friedlich. Isachar erzählte mir weiter von seinen glorreichen Isolationsmanövern. Es gab im weiten Umkreis nichts, was er nicht zugestopft hätte, ausgenommen seinen Mund. Ich versuchte es nochmals mit dem Dubcek-Gambit, aber nach zwei Zugwechseln waren wir wieder auf der Polyesterbasis. Meine Uhr zeigte 4.15, und schon um mich wachzuhalten, stellte ich immer weitere Fragen, und Isachar gab gern immer weitere Auskünfte.
»Einmal«, so erzählte er um 5.20 Uhr, »verkaufte mir Schechter eine Gallone Plastikzement. Auf halbem Weg zur Stadtmitte sehe ich nach, und was muß ich sehen? Das Zeug ist hart wie Granit. So etwas kann mir mit amerikanischem Polyester nicht passieren. Aber wie willst du feststellen, ob die Flüssigkeit, die du kaufst, aus Amerika kommt? In einem neutralen Behälter? Wie willst du das feststellen?«
Ich wollte gar nichts feststellen, schon längst nicht mehr. Wenn zwei Eheleute eines Tages entdecken, daß sie nicht zueinander passen, lassen sie sich scheiden. Auch langjährige
Geschäftspartner gehen gelegentlich auseinander. Nur ein Zivilschützer wie ich bleibt hoffnungslos einzementiert. Und es fehlten noch anderthalb Stunden. »Halt!«
Ich stellte eine verdächtige Katze und verjagte sie aus unserem Revier. Dann lehnte ich mich erschöpft an die Hausmauer.
Ich muß stehend eingeschlafen sein. Isachar klopfte auf die Schulter, um mich zum Weitermarschieren aufzufordern. Aber er schwieg. Offenbar hatte ich die fällige Gegenfrage versäumt.
»Und was passiert«, fragte ich, und ich weiß nicht warum, »wenn das Zeug nicht rechtzeitig trocknet?«
Es war einer der größten Fehler meines Lebens. Isachar kam mit der Beantwortung meiner Frage bis 6,15 Uhr aus. Ich betete zu Gott, Er möge uns ein paar Terroristen über den Weg schicken, damit ich endlich etwas anderes zu tun hätte, als dieses Isolierseminar über mich ergehen zu lassen.
»Und was das beste ist«, fuhr Isachar erbarmungslos fort, »als Schechter mir das nächste Mal so einen Kanister kanadischer Polyestermasse mit 35 Prozent Epoxitkonglomerat andrehen wollte ...« An dieser Stelle geschah es.
Nach Augenzeugenberichten begann ich wild in Isachars Richtung zu schießen und brüllte jedem, der sich mir näherte, allerlei unverständliche Befehle zu wie: »Polyester in Deckung!«, »Zement!«, »Dubcek!«, »Feuer!« und dergleichen mehr. Ich war fast nicht zu beruhigen,
Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, daß ich nicht das erste Zivilschutzopfer war. Schon vor mir hatte ein Zivilschützer, nach vierstündigem Wachtdienst mit einem Tiefbauingenieur, durch Gewehrsalven größeren Sachschaden an den Fensterscheiben der umliegenden Häuser verursacht.
Um 7 Uhr früh deponierten wir unsere Ausrüstung im Hauptquartier. Isachar entkam nach Hause und wollte, wie Wechlser mir ein paar Tage später ganz nebenbei erzählte, nie wieder mit mir zusammen Wache schieben. Ich hätte ihn, so sagte er, mit meinen Fragen zu Tode gelangweilt.
Es gibt auch im privaten Bereich Methoden, das Fünfte Gebot legal zu umgehen. In den Kriminalfilmen aennen es die Kommissare das perfekte Verbrechen. Aber am Ende muß die Gerechtigkeit siegen, sonst kommen die Zuschauer auf dumme Gedanken.
Um das perfekte Verbrechen wirklich zu begehen, muß man einen ausgeruhten Kopf haben. Wie meinen.
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ES GIBT DOCH DAS PERFEKTE VERBRECHEN
Es war Abend. Draußen wurde es langsam dunkel, drinnen begannen sich die Mütter über den Verbleib ihrer Sprößlinge zu sorgen. Plötzlich wurde meine Wohnungstür aufgerissen, und Schultheiß stürzte herein. Aber war das noch Schultheiß? Schultheiß der Großartige, Schultheiß der Manager, der Mann mit den eisernen Nerven, der Mann mit dem herausfordernd Unerschütterlichen Selbstbewußtsein? Vor mir stand ein geknicktes, zerknittertes Geschöpf, atemlos, bebend, die stumme Furcht eines gejagten Rehs im Blick. , »Schultheiß!« rief ich aus. »Um Himmels willen. Was ist los mit Ihnen?«
Schultheiß warf irre Blicke um sich, und seine Stimme zitterte: »Ich werde verfolgt. Er will mich in den Wahnsinn treiben. Er will mich umbringen.«
»Wer?«
»Wenn ich das wüßte! Es muß der Teufel in Person sein. Er richtet mich systematisch zugrunde. Und
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