Der Blaumilchkanal
etwas nervös.
»Ein typischer Neureicher«, flüstert Gusti. »Hat mit geschmuggelten Textilien ein paar Kröten gemacht und kauft jetzt einen Mann für seine Tochter.«
Hinter uns erzählt gerade jemand von den finsteren Geschäften des Vaters. Aber das ist heute doch ganz gleichgültig. Hauptsache, der Neureiche hat einen Blöden für die arme Grete gefunden, es sei ihm vergönnt. Geizig ist er aber schon. Das soll ein Saal sein? Eine Bruchbude. Hat er in der ganzen Stadt nichts Eleganteres oder wenigstens Gemütlicheres finden können? Und dieses Büffet, ein paar ausgetrocknete Kanapees, Salzhering, Kartoffelsalat und Orangensaft. Hans und Grete, dieses hübsche Paar, hätten wirklich etwas Besseres verdient.
»Grete sieht müde aus«, sagt Klara, »richtig eingefallen. Ich sag's doch immer, man sollte doch seine erste Ijebe heiraten und nicht seine zwanzigste.«
»Aber sie ist glücklich, und das ist schließlich die Hauptsache«, verteidigt Lilli ihre Freundin. »Obwohl ich sie schon tausendmal gewarnt habe, kein helles Puder auf die Nase, das betont die Schönheitsoperation.« Wir umringen sie, was du nicht sagst. »Seht ihr denn dag nicht? Eine Gemeinheit. Einsperren sollte man diesen Arzt, sage ich euch.«
*
Die Gäste versammeln sich vor dem Traualtar. Die Eltern des Nobodys sind sehr gerührt, umarmen die Neureichen, wechseln jedoch kein Wort mit ihnen. Seltsam. Es heißt, daß sie mit der Wahl ihres Sohnes nicht ganz einverstanden sind. Hatten sich etwas Besseres gewünscht. Unter uns gesagt, man kann sie schon verstehen.
»Warum«, wundert sich der mit der Pfeife, »warum hat es eigentlich mit der Hochzeit so pressiert?«
Das war nun wirklich eine naive Frage. Alle mokieren sich darüber.
»Jetzt darf man es doch ruhig verraten«, erklärt Gusti, »wo es doch stadtbekannt ist. Im Winter ist Hans von zu Hause weggegangen, die Eltern haben einen Detektiv angeheuert, und in einer verwahrlosten Kneipe fand man die beiden dann, total besoffen. Gretes Bruder wollte Hans umbringen, die Polizei kam, da war vielleicht was los. Ihr Vater schwor damals, er werde ihn wie einen räudigen Hund abknallen, sollte er sich jemals wieder an seine Tochter heranmachen... «
Hans tritt auf Grete zu und streichelt sie zärtlich. Danach wechseln sie einige Worte.
»Wie du willst, mein Liebling«, antwortet Grete.
Seht nur, sie streiten schon. Wie traurig.
Da beginnt die Trauung. Nobody steht da wie versteinert. Bleich wie der Tod. Die arme Grete schielt ein wenig. Lilli flüstert uns zu, daß sie eigentlich eine Brille trägt und jetzt so gut wie blind ist, die arme.
Die Brautjungfern umringen die Braut. Eine wunderschöne Feier. Nobody streift ihr den Ring auf den Finger, einen recht einfachen Ring, wenn man bedenkt, was der Mann verdient. »Wohin geht die Hochzeitsreise?«
»Die ist schon vorbei...«
»Spielt doch keine Rolle«, witzelt die Pfeife, »diesmal bezahlt Vater Kirschner das Hotel.« Wir werfen ein, daß Gretes Vater nicht Kirschner heiße. Es stellt sich heraus, daß die Pfeife aus Versehen auf der falschen Hochzeit ist. Aber wenn er schon einmal da ist, bleibe er auch. Hochzeiten ähneln sich doch alle. Hans zertritt das Glas, wie es Tradition ist, manche meinen, aus versteckter Wut. »Wann wird er sie betrügen?«
Diese schicksalhafte Frage hat die ganze Zeit über im Raum gestanden, es war von historischer Notwendigkeit, daß sie endlich gestellt wurde.
»Ich persönlich«, sagt Pfeife, »also ich gebe ihnen allerhöchstens drei Monate.«
Gusti schätzt eine Woche, Lilli ist pessimistischer.
»Grete ist nicht so dumm, wie sie aussieht«, flüstert sie uns zu. »Sie hat gestern zu ihm gesagt, Hans, ich heirate dich zwar, lasse mich aber nicht übers Ohr hauen. Ich bin lieber geschieden als eine alte Jungfer. Glaubt mir, wo sie recht hat, hat sie recht.«
Die Wohnung ist auf ihren Namen geschrieben. Klara erinnert daran, daß sie einen guten Rechtsanwalt kennt, für alle Fälle.
»Wir werden sehen«, murmeln wir, »wir werden sehen.«
Wir sehen den beiden jungen Monstern zu. Sie lächeln einander verkrampft zu, tun, als küßten sie sich liebevoll, ziehen eine Schau ab, wo ihr unabänderliches Schicksal uns doch schon deutlich vor Augen steht. Die Trauung ist zu Ende, wir treten auf das junge Paar zu und überschütten es mit guten Wünschen und feuchten Küssen:
»Alles Gute! Alles Gute!«
»Glück und Gesundheit!«
»Ein langes, glückliches Leben!«
»Toi - toi -
Weitere Kostenlose Bücher