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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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über die seine Frau und er sich später unterhalten würden – wie der Kleine seine Faust um einen ihrer Finger ballte oder lächelte, wenn Sheri ihn mit diesem verdutzten Gesicht ansah. Er sah ihr mit dem Baby gern zu; eine halbe Akte lang half es, an sie zu denken, denn sie waren sein Warum, sie lohnten diese Mühe und waren das Richtige, und das musste er sich immer wieder sagen, aber dann entglitt es ihm wieder das Loch hinab, das durch ihn fiel. Seine Nachbarn zappelten nie herum und bewegten sich nicht, außer um hochzugreifen, Papiere aus den Tingle-Ablagen zu nehmen und auf den Schreibtisch zu legen, wie Maschinen, und sie kamen in den Pausen auch nie in den Aufenthaltsraum. Atkins behauptete, nach einem Jahr habe er zwei Akten auf einmal prüfen und abgleichen können, aber man bekam ihn nie dabei zu Gesicht, allerdings konnte er tatsächlich ein Lied pfeifen und ein anderes summen. Nugents Schwester gab am Telefon den Exorzisten. Aus dem Augenwinkel sah Lane Dean einen papageigesichtigen Mann am Zentralgang, der die Teams trennte. Der Mann zog eine Akte aus der Ablage, nahm die Steuererklärung heraus, machte den Ausdruck ab und zentrierte die beiden Dokumente auf seiner Schreibunterlage. Mit seinem kleinen selbst gemachten Sitzkissen und dem grauen Hut an dem an die Ablage für 402er angeschraubten Haken. Lane Dean starrte hinab, ohne seine eigene geöffnete Akte richtig wahrzunehmen, stellte sich vor, wie es wäre, dieser Mann mit seinem traurigen kleinen Kissen und der angepassten Bankangestelltenlampe zu sein, und fragte sich, was der bloß in seiner Freizeit hatte oder tat, um diese seelenmordenden acht Stunden am Tag wiedergutzumachen, von denen noch nicht mal ein Viertel vorbei war, bis er es nicht mehr aushalten konnte und in einer Art Arbeitsrausch drei Steuererklärungen in einem prüfte, wobei er etwas übersehen haben mochte, also prüfte er die nächste Akte sehr langsam und gewissenhaft und fand eine Unstimmigkeit zwischen Verzeichnis E des 1040ers und der Zusatzrentenaufstellung der abgekackten Eisenbahnerrente des armen alten Clive R. Terry aus Alton, aber die Unstimmigkeit war so geringfügig, dass sich nicht eindeutig sagen ließ, ob der Ausdruck aus Martinsburg überhaupt einen Fehler enthielt oder angesichts der fraglichen Summe zur Zeitersparnis nur eine großzügige Abrundung durchgelassen hatte, und dann musste er sowohl ein 020-C als auch ein Memo 402-C(1) ausfüllen und ans Büro des Gruppenmanagers weiterleiten, der dann zu entscheiden hatte, wie der Fehler einzustufen war. Beide mussten mit duplizierten Daten auf beiden Seiten ausgefüllt und unterschrieben werden. Der ganze Vorgang war geradezu unglaublich sinnlos und unbedeutend. Er dachte über das Wort Sinn nach und versuchte, sich das Gesicht seines Babys vorzustellen, ohne das Foto anzuschauen, aber er spürte nur das Gewicht einer vollen Windel und sah, wie sich das Plastikmobile über dem Gitterbettchen im Luftstrom drehte, den der Kastenventilator an der Tür erzeugte. Niemand in den Gemeinden, die er kannte, sah sich je den Exorzisten an; er lief dem katholischen Dogma zuwider und war eine Blasphemie, keine Unterhaltung. Er stellte sich vor, der Sekundenzeiger besäße Bewusstsein und wüsste, dass er ein Sekundenzeiger wäre und die Aufgabe habe, sich bis in alle Ewigkeit in einem Zahlenkreis zu drehen, immer mit derselben langsamen und gleichbleibenden maschinenartigen Geschwindigkeit, ohne je einen Ort zu erreichen, den er nicht schon Millionen Mal gesehen hatte, und er stellte sich vor, dass sich der Sekundenzeiger so scheußlich fühlen würde, dass er nach Luft schnappen müsste, und er sah sich rasch um, ob einer der Prüfer in seiner Umgebung das gehört hatte oder ihn ansah. Als er das Gesicht des Babys auf dem Foto schmelzen, länger werden und eine Kieferspalte ausbilden sah, als es binnen Sekunden um Jahre alterte und im Alter schließlich einfiel und sich von dem grinsenden gelben Totenschädel darunter löste, wusste er, dass er in Halbschlaf gefallen war und träumte, wusste aber nicht, dass er das eigene Gesicht in die Hände gestützt hatte, bis er eine menschliche Stimme hörte, die Augen aufschlug, aber nicht sehen konnte, wem die Stimme gehörte, und dann das Gummi am kleinen Finger direkt unter der Nase roch. Er konnte durchaus auf die offene Akte gesabbert haben.
    Gönnst dir schon mal einen Vorgeschmack, wie ich sehe.
    Es war ein großer älterer Mann mit zerfurchtem Gesicht und Pferdegebiss. Er

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