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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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steckte wie eine Panflöte. Jahr für Jahr, ein Gesicht von derselben Farbe wie der Schreibtisch. Jesus Christus. Kaffee war verboten, weil er auf die Akten spritzen konnte, aber in der Pause würde er in jeder Hand eine große Tasse Kaffee halten, stellte er sich vor, während er draußen durchs Gelände rannte und rumschrie. Er wusste, in Wahrheit würde er in der Pause mit Blick auf die Wanduhr im Aufenthaltsraum sitzen und allen Gebeten und Anstrengungen zum Trotz dasitzen und die Sekunden verticken sehen, bis er hierher zurückkommen und weitermachen müsste. Und weiter und weiter und weiter. Das eingebildete Geräusch erinnerte ihn an verschiedene Gelegenheiten, bei denen er Leute hatte Blätter zerreißen sehen. Er dachte an einen Kraftmenschen im Zirkus, der ein Telefonbuch zerriss; er war kahl, hatte einen Walrossschnurrbart und trug einen von diesen gestreiften Ganzkörperbadeanzügen, wie die Menschen sie in grauer Vorzeit getragen hatten. Lane Dean nahm seinen ganzen Willen zusammen, kniete sich wieder rein, schaffte drei Steuererklärungen in einem und stellte sich hohe Orte vor, von denen er in die Tiefe springen konnte. Er glaubte, jetzt voller Gewissheit sagen zu können, dass die Hölle nichts mit Feuer oder erstarrten Armeen zu tun hatte. Man schloss einen Mann in einem fensterlosen Raum ein, ließ ihn Standardarbeiten erledigen, die gerade schwierig genug waren, dass er dabei denken musste, aber trotzdem Arbeiten, bei denen es um Zahlen ging, die mit nichts zusammenhingen, was er je gesehen oder was ihn je beschäftigt hatte, ein Stapel von Arbeiten, der nie kleiner wurde, man nagelte eine Uhr so an die Wand, dass er sie sehen konnte, und dann überließ man ihn sich selbst und seinem Hirn. Wies ihn an, den Hintern zu falten und an Strände zu denken, wenn er Hummeln im Hintern bekam, und genau diese Wendung würde man benutzen, Hummeln im Hintern, genau wie seine Mutter. Ließ ihn in der Fülle der Zeit herausfinden, dass die Wendung ein schlechter Scherz war und nicht im Entferntesten der Wirklichkeit entsprach. Er hatte den Schreibtisch schon mit dem Ärmelaufschlag abgestaubt und das Foto seines kleinen Sohns in dem klapprigen kleinen Rahmen verschoben, dessen Glasscheibe verrutschte, wenn man ihn schüttelte. Er hatte schon ausprobiert, den grünen Fingerling an die andere Hand zu stecken und die Addiermaschine mit der Linken zu bedienen, als hätte er einen Schlaganfall gehabt und würde dennoch unermüdlich weitermachen. Durch das Gummi wurde die Spitze des kleinen Fingers darunter ganz aufgeweicht und bleich. Zu Hause war er außerstande, stillzusitzen, außerstande, etwas auch nur ein paar Sekunden lang anzuschauen. Der Strand war jetzt aus festem Beton statt aus Sand, und das Wasser war grau und praktisch unbewegt, zitterte nur etwas wie schon fast fester Wackelpeter. Unerbeten gingen ihm Methoden, sich mit Wackelpeter umzubringen, durch den Kopf. Lane Dean versuchte, seinen Herzschlag zu kontrollieren. Er überlegte, ob man mit ausreichend Übung und Konzentration sein Herz anhalten konnte, so wie man den Atem anhielt – genau so. Seine Herzfrequenz kam ihm gefährlich niedrig vor, und er bekam Angst, versuchte, den Kopf gesenkt zu halten, verdrehte aber die Augen und verglich seinen Puls mit dem Sekundenzeiger, aber der schien unmöglich langsam vorzurücken. Wieder und wieder das Geräusch zerreißenden Papiers. Manche Karrenjungen brachten einem Akten mit allem, was man brauchte, und manche nicht. Der Summer, der den Karrenjungen herbeirief, befand sich genau unter dem Rand des Eisenschreibtischs; ein Kabel kam aus der einen Schreibtischseite heraus und lief an einem angeschweißten Tischbein hinab, aber der Summer funktionierte nicht. Atkins sagte, der Schlängler, der vor ihm seinen Posten bemannt hatte und irgendwohin versetzt worden war, hätte ihn so oft betätigt, dass der Schaltkreis durchgebrannt sei. Seltsame Reihen kleiner Vertiefungen am vorderen Rand der Schreibtischunterlage waren, wie Lane Dean erkannt hatte, Abdrücke von Zähnen, die jemand gebückt so tief in die Schreibunterlage geschlagen haben musste, dass die Vertiefungen jetzt nicht mehr weggingen. Er konnte das nachvollziehen. Er konnte sich kaum beherrschen, an seinem Finger zu schnuppern; auch zu Hause ertappte er sich manchmal dabei, während er am Tisch ins Leere starrte. Das Gesicht seines kleinen Jungen funktionierte besser als der Strand; er malte sich aus, wie das Baby alle möglichen Sachen machte,

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