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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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besorgt und/oder angewidert war.
Anmerkung
    Im Februar erkundigte sich seine Mutter nebenbei und halb im Scherz nach seinem Liebesleben und wollte wissen, ob es in diesem Schuljahr Mädchen gäbe, die ihm besonders gefielen, und er musste fast das Zimmer verlassen und brach fast in Tränen aus. Die Vorstellung, sich jemals mit einem Mädchen zu verabreden, mit einem Mädchen auszugehen und sich von ihr aus nächster Nähe ansehen zu lassen in der Erwartung, er würde an sie denken und nicht nur seine potenziellen Schweißausbrüche evozieren – diese Vorstellung erfüllte ihn nicht nur mit Angst, sondern machte ihn auch traurig. Er war intelligent genug, um zu wissen, wie traurig das war. Auch als er erleichtert bei den Pfadfindern aufhörte, nur vier Abzeichen vor dem Adler, und einem schüchternen, sozial quasi anonymen Mädchen aus Algebra und Trigonometrie, das mit ihm zum Sadie-Hawkins-Tanz gehen wollte, einen Korb gab und an Ostern vorschützte, er fühle sich nicht wohl, damit er allein zu Hause bleiben, Dorian Gray lesen und vor dem Badezimmerspiegel seiner Eltern versuchen konnte, einen Schweißausbruch auf Touren zu bringen, statt mit ihnen zum Osteressen bei seinen Großeltern zu fahren, war er deswegen ein bisschen traurig, wenn auch erleichtert, hatte außerdem ein schlechtes Gewissen wegen seiner diversen Ausflüchte, fühlte sich überdies einsam und ein bisschen tragisch, wie jemand, der im Regen vor einem Fenster steht und ins Trockene hineinsieht, dann aber auch wieder unheimlich und widerlich, als wäre sein heimlicher Wesenskern unheimlich und die Anfälle wären nur ein Symptom, sein wahres Selbst, das buchstäblich leckte – aber nichts davon war im Badezimmerspiegel zu sehen, und sein Spiegelbild schien blind
Anmerkung
für alles, was er in ihm suchte.

§ 14
    Ein IRS-Steuerprüfer sitzt auf einem Stuhl in einem Raum. Sonst gibt es wenig zu sehen. Ein Steuerprüfer nach dem anderen sieht in die Kamera auf dem Stativ, spricht in die Kamera. Es handelt sich um einen leer geräumten Lochkartenspeicherraum nahe dem radial angelegten Saal des Datenverarbeitungsblocks im Regionalprüfzentrum, die Klimaanlage funktioniert daher gut, und auf den Gesichtern liegt kein Sommerglanz. Sie werden paarweise aus den Schwänzelräumen hereingeführt; der jeweilige Prüfer wird hinter einer Vinyltrennwand eingewiesen. Die Einweisung beschränkt sich in der Regel darauf, das Intro anzusehen. Das Intro der Dokumentation macht den Eindruck, von Tripel-Sechs über die Zentrale des Regionalen Prüfkommissars oben in Joliet gekommen zu sein; auf der Hülle prangen das Siegel des Service und ein Haftungsausschluss. Der mutmaßliche Arbeitstitel lautet Ihr IRS heute . Vielleicht fürs öffentliche Fernsehen. Einigen wird gesagt, die Dokumentation sei für den Unterricht, für Staatsbürgerkunde. Das hören sie in der Einweisung. Die Interviews werden als PR -Maßnahmen mit ernsthaften Absichten dargestellt. Sie sollen den Service vermenschlichen und entmystifizieren, die Bürger verstehen lassen, wie schwer und bedeutend diese Arbeit ist. Wie viel auf dem Spiel steht. Dass sie nicht feindlich gesonnen oder Maschinen sind. Der Einweiser liest von einer Reihe bedruckter Karten ab; vorn in der Ecke gibt es für den jeweils Befragten einen Spiegel, damit er sich die Krawatte richten bzw. sie sich den Rock zurechtzupfen kann. Eine eigens entworfene Entbindung ist zu unterschreiben – jeder Prüfer liest sie gewissenhaft, ein Reflex; man ist noch im Dienst. Manche sind aufgeregt. Aufgedreht. Die Aussicht auf Aufmerksamkeit, der Sinn und Zweck des Projekts, das hat was. PC Tate hat das Konzept zur Welt gebracht, aber Stecyk hat die ganze Arbeit gemacht.
    Es gibt auch einen Videobildschirm, auf dem sie das provisorische Intro sehen können, dessen Unausgereiftheit in der Einweisung von vornherein konzediert wird, der Optimierungsbedarf. Es besteht aus Versatzstücken und Aufnahmen aus Fotoarchiven, deren stilisierte Wärme nicht zum Ton des Begleitkommentars passt. Es ist verwirrend, und niemand weiß so recht, wozu das Intro gut sein soll; die Einweiser betonen, es diene nur der Orientierung.
    »Der Internal Revenue Service ist die Abteilung des US -amerikanischen Finanzministeriums, dem die fristgerechte Vereinnahmung aller Bundessteuern gemäß geltendem Recht obliegt. Mit über hunderttausend Angestellten in über tausend nationalen, regionalen, kommunalen und lokalen Dienststellen ist Ihr IRS das größte Exekutivorgan

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