Der bleiche König: Roman (German Edition)
verpflichtet und der Aufsichtsrat den Aktionären, die dieselben Verbraucher sind, die das Unternehmen im Namen der Profite bei der erstbesten Gelegenheit übers Ohr hauen wird, Profiten, die als Dividenden an genau die Aktionäre Schrägstrich Verbraucher ausgeschüttet werden, die im eigenen Namen aufs Kreuz gelegt worden sind. Das ist doch ein Teufelskreis gemiedener Verantwortung.«
»Sie vergessen dabei die Gewerkschaften, die sich für Arbeit einsetzen, die Investmentfonds und die Auswirkungen der Börsenaufsicht auf die Aktienkurse über der Basis.«
»In Sachen Irrelevanz sind Sie ein Genie, X. Wir sind hier nicht im Seminar. DeWitt versucht gerade, zum Kern einer Sache vorzudringen.«
»Unternehmen sind weder Bürger noch Nachbarn oder Eltern. Sie können nicht wählen oder in den Krieg ziehen. Sie lernen nicht das Pledge of Alliance . Sie haben keine Seelen. Sie sind Umsatzgeneratoren. Damit hab ich kein Problem. Ich halte es für absurd, ihnen moralische oder staatsbürgerliche Pflichten aufzuerlegen. Sie haben ausschließlich strategische Pflichten, und auch wenn sie sehr komplex werden können, sind sie von Natur aus nicht staatsbürgerlich verfasst. Bei Unternehmen hab ich keine Probleme damit, wenn der Staat Gesetzen Geltung verschafft und die Ordnungspolitik Gewissensfunktionen übernimmt. Mein Problem ist eher, dass wir uns als individuelle Bürger anscheinend einen Unternehmensstandpunkt angeeignet haben. Dass wir summa summarum nur uns selbst verpflichtet sind. Dass jede Handlung okay ist, sofern sie nicht illegal ist oder unmittelbare praktische Konsequenzen für uns hat.«
»Ich bereue dieses Gespräch immer mehr. Es – mögen Sie Filme?«
»Aber hallo!«
»Sie belieben zu scherzen.«
»Nichts geht über einen Regenabend, an dem man es sich mit einem Betamax und einem guten Film auf dem Sofa gemütlich macht.«
»Mal angenommen, man würde feststellen, dass die zunehmende Brutalität US -amerikanischer Filme einem Anstieg der Kriminalstatistik von Gewaltverbrechen korreliert. Ich meine, mal angenommen, die Statistik legt nicht nur einen Zusammenhang nahe, sondern demonstriert unwiderleglich , dass die steigende Zahl drastisch gewaltverherrlichender Filme wie Clockwork Orange, Der Pate oder Der Exorzist einen Kausalzusammenhang mit den realen Fällen an schwerer Körperverletzung aufweist.«
» The Wild Bunch nicht zu vergessen. Clockwork Orange ist allerdings ein britischer Film.«
»Klappe.«
»Wir brauchen aber eine Definition von gewalttätig . Können verschiedene Leute darunter nicht ganz verschiedene Dinge verstehen?«
»Ich schmeiß Sie aus dem Fahrstuhl, X, so wahr mir Gott helfe.«
»Was würden wir von den Unternehmen in Hollywood erwarten, die solche Filme produzieren? Würden wir wirklich erwarten, dass sie sich Sorgen machen, weil ihre Filme die Gewaltbereitschaft der Kultur verstärken? Wir könnten uns in die Brust werfen und ihnen böse Briefe schreiben. Aber wenn man den ganzen PR-Blödsinn mal abzieht, wird die Antwort der Unternehmen darauf hinauslaufen, dass es ihre Aufgabe ist, für die Aktionäre eine Rendite zu erwirtschaften, und dass es ihnen Sakko wie Beinkleid ist, was irgendwelche Statistiken über ihre Produkte aussagen, solange der Staat sie nicht zur Reduktion der Gewalt zwingt.«
»Was wegen dem Ersten Verfassungszusatz auch massive Probleme gäbe.«
»Ich glaube, die Hollywoodstudios sind nicht im Besitz von Aktionären; ich glaube, der Löwenanteil gehört Dachgesellschaften.«
»Oder wenn was? Wenn stinknormale Kinofans nicht mehr in hellen Scharen ins Kino strömen würden, um sich ultrabrutale Filme anzusehen. Die Filmfritzen können sagen, sie würden nur machen, wozu Unternehmen nun mal da sind – sie stillen eine Nachfrage und scheffeln so viel Geld, wie legal nur geht.«
»Dieses ganze Gespräch ist langweilig.«
»Das Wichtige ist manchmal langweilig. Manchmal ist es Arbeit. Manchmal sind die wichtigen Dinge keine Kunstwerke, die Ihrer Unterhaltung dienen, X.«
»Ich will auf Folgendes hinaus. Und es tut mir leid, X, denn wenn ich mehr von dem verstehen würde, worum es hier geht, könnte ich es schneller auf den Punkt bringen, aber ich bin es nicht gewohnt, darüber zu reden, und konnte es bisher auch noch nie in eine sinnvolle Abfolge bringen – meistens wirbelt mir das Ganze mehr so durch den Kopf, wenn ich morgens herfahre und überlege, was an dem Tag alles auf meinem Terminkalender steht. Mit den Filmen will ich nur auf eins
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