Der bleiche König: Roman (German Edition)
und die Institutionalisierung der Minderheitenaufstände an der Basis anschloss, wird sich noch verschärfen. Die Politik dreht sich um Konsens, und das Werbevermächtnis der Sechziger lautet, dass Konsens Unterdrückung ist. Wählen wird uncool: Heute stimmen Amerikaner mit den Brieftaschen ab. Die kulturelle Funktion des Staats wird sich auf die Rolle des tyrannischen Vaters beschränken, den wir gleichzeitig hassen und brauchen. Schauen wir uns doch an: Da wählen wir einen Mann, der sich als Rebell ausgeben kann, vielleicht sogar als Cowboy, obwohl wir insgeheim wissen, dass er ein Geschöpf der Bürokratie ist, das innerhalb der Staatsapparate handeln wird, statt mit dem Kopf dagegen anzurennen, wie wir es vier Jahre lang bei dem armen Jimmy beobachten konnten.«
»Carter repräsentiert dann das letzte Aufbäumen des wahren Neulands, das sich der Idealismus der Sechziger ausgemalt hatte. Sein offenkundiger Anstand und seine politische Ohnmacht haben sich der Psyche des Wählers eingebrannt.«
»Man sucht einen Präsidentschaftskandidaten, der der Wählerschaft das verschaffen kann, was die Konzerne gerade anstreben, damit der Staat – oder besser die Staatsapparate, Big Brother, der Interventionsstaat – zu einer Folie wird, vor der sich der Kandidat definieren kann. Wenn er Gewicht haben will, muss dieser Kandidat paradoxerweise aber gleichzeitig eine Marionette des Staats sein, ein Insider mit einer seelenkalten Entourage aus Bürokraten und Erfüllungsgehilfen mit eiskaltem Blick, die, wie wir dann sehen werden, die Maschinerie eigentlich in Gang halten. Außerdem braucht er natürlich ein exorbitantes Wahlkampfbudget, und ein Mal dürfen Sie raten, wem er das dann zu verdanken hat.«
»Wir sind jetzt sehr sehr sehr weit von dem abgekommen, was ich als meine Auffassung der Beziehung unserer Steuerzahler zum Staat beschreiben wollte.«
»Das beschreibt Reagan sogar besser als Bush.«
»Reagans Symbolik geht einfach zu weit. Das ist jetzt nur meine Privatmeinung. Für den Service ist das Wunderbare an Reagans potenzieller Präsidentschaft natürlich, dass er schon ein aktenkundiger Steuergegner ist. Volle Pulle und ohne Umwege. Keine Steuererhöhungen – in New Hampshire hat er sogar öffentlich zu Protokoll gegeben, dass er die Grenzsteuersätze senken will.«
»Und das soll für den Service gut sein? Wenn schon wieder ein Politiker damit punkten will, dass er das Steuersystem in den Schmutz zieht?«
»Also, ich seh das so: Für mich ergänzen sich Bush und Reagan. Reagan ist der Cowboy für die Symbolik, Bush der stille Insider, der die ganze unattraktive Führungsarbeit erledigt.«
»Ganz zu schweigen von seiner Rhetorik, den Verteidigungshaushalt zu erhöhen. Wie will er denn die Grenzsteuersätze senken und gleichzeitig die Verteidigungsausgaben erhöhen?«
»Den Widerspruch sieht doch ein Blinder mit dem Krückstock.«
»Stuart sagt, das ist gut für den Service, denn die Senkung der Grenzsteuersätze bei gleichzeitiger Anhebung der Verteidigungsausgaben klappt nur, wenn die Steuererhebung effizienter wird.«
»D. h., Leinen los. D. h., die Quoten des Service gehen hoch.«
»Das läuft aber auch auf eine stillschweigende Reduktion der Einschränkungen unserer Revisions- und Steuereinziehungsmechanismen hinaus. Reagan wird uns als den habgierigen Big Brother mit Schlapphut anprangern, den er insgeheim braucht. Wir – die schmallippigen Buchhalter in grauen Anzügen und mit dicken Brillengläsern, die nur auf ihre Addiermaschinen eintippen – werden der Staat: die Autorität, die jeder hasst. Derweil Reagan das Budget des Service verdreifacht und Technologie und Effizienz zu Chefsachen erklärt. Das wird die erste Blütezeit des Service seit 1945.«
»Die aber mit steigendem Hass der Steuerzahler auf den Service einhergeht.«
»Den ein Reagan paradoxerweise brauchen würde. Wenn der Service die Steuerzahler aggressiver anpackt und das in den Fokus der Öffentlichkeit rückt, hält das im Gedächtnis der Wählerschaft das hochdisponible Bild eines starken Staats am Leben, von dem sich der rebellische Außenseiterpräsident weiterhin abgrenzen können muss und den er als staatliche Einmischung in das Privatleben und die Brieftaschen fleißiger Amerikaner verunglimpfen kann, eine Einmischung, zu deren Abwehr er in den Wahlkampf gezogen ist.«
»Sie wollen ernsthaft behaupten, der nächste Präsident kann sich auch dann noch als Außenseiter und Renegat definieren, wenn er faktisch schon im
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