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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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zufällig in einem ganz anderen Seminar an der DePaul miterlebt habe, das ich eigentlich gar nicht belegt und in das ich mehr aus Versehen reingestolpert war, weil ich in der letzten Prüfungszeit vor der Weihnachtspause nicht bei der Sache gewesen war und Murks gemacht hatte, und von dem ich so bewegt und betroffen war, dass ich mich auf die Abschlussprüfungen meiner eigentlichen Seminare kaum noch richtig vorbereitete, diesmal allerdings nicht aus Leichtfertigkeit oder Trägheit, sondern weil ich zu dem Schluss gekommen war, dass ich mir nach der dramatischen Begegnung mit dem jesuitischen Ersatzdozenten in Steuerprüfung II – dem Seminar, in dem ich, wie gesagt, aus Versehen gelandet war – sehr wichtige, gründliche und konzentrierte Gedanken machen musste.
    Tatsache ist, dass es wahrscheinlich einfach bestimmte Menschentypen sind, die sich zu einer Laufbahn im IRS hingezogen fühlen. Menschen, die, wie der Ersatz-Pater es an jenem letzten Tag in Steuerprüfung II sagte, »zur Rechenschaft da sind«. Soll heißen, es geht hier wahrscheinlich fast schon um einen speziellen psychologischen Typ. Kein sehr häufiger Typ – einer unter zehntausend, würd ich mal schätzen –, aber entscheidend ist, dass dieser Menschentyp, der zum Service will, da unbedingt hinwill, er ist fest entschlossen und lässt sich nur schwer davon abbringen, sobald er sich auf seine eigentliche Berufung konzentriert hat und aktiv auf ihre Verwirklichung hinarbeitet. Und auch wenn es nur einer unter zehntausend ist, in einem so großen Land wie Amerika kommt da eine ganz hübsche Menschenmenge zusammen – rund zwanzigtausend –, für die der IRS alle beruflichen und psychologischen Kriterien einer wahren Berufung erfüllt. Diese rund zwanzigtausend bilden den Kern oder das Herz vom Service, und nicht alle davon bekleiden hohe Posten in der IRS -Verwaltung, obwohl, einige schon. Das macht zwanzigtausend von den insgesamt über hundertfünftausend Angestellten des Service. Und diese Menschen haben zweifellos entscheidende Wesenszüge gemeinsam, vorausdeutende Faktoren, die über kurz oder lang zutage treten und den Wunsch aufkommen lassen, die Steuerbuchhaltung zu verfolgen, sich der Systemverwaltung und dem Organisationsverhalten zu widmen, und diese Menschen verschreiben sich dann der Anwendung und Durchsetzung des Steuerrechts dieses Landes, wie es in Titel 26 der Bundesgesetzsammlung und dem Revised Internal Revenue Code von 1954 sowie all den Statuten und Bestimmungen ausbuchstabiert vorliegt, die die Steuerreform von 1969 umfasst, die Steuerreform von 1976, das Einkommensteuergesetz von 1978 usw. usf. Was das für Gründe und Faktoren sind und in welchem Ausmaß sie neben den besonderen Talenten und Veranlagungen koexistieren, die der Service braucht – das sind interessante Fragen, und der IRS von heute hat ein aktives Interesse daran, sie zu verstehen und zu quantifizieren. Was mich selbst angeht und wie ich hierhergekommen bin, so ist der wesentliche Punkt, dass ich entdeckte, dass ich sie hatte – die Faktoren und Eigenschaften –, und dass ich das sehr plötzlich entdeckte durch etwas, was zunächst nur ein sinnloser Irrtum zu sein schien.
    Ich habe die Frage des Drogenkonsums in dieser Zeit ebenso ausgelassen wie die Rolle, die gewisse Drogen dabei spielten, wie ich hierherkam, was jetzt keinesfalls eine Verharmlosung des Drogenkonsums sein soll, sondern einfach einen Teil der Geschichte der Faktoren bildet, die mich schließlich zum Service brachten. Die ist allerdings kompliziert und auch indirekt. Es ist klar, dass Drogen damals ein wichtiger Bestandteil der ganzen Szene waren – das ist ja bekannt. Ich erinnere mich, dass die coolste Droge an den Unis im Großraum Chicago in den späten Siebzigern Kokain war, und da ich damals um jeden Preis dazugehören wollte, bin ich sicher, dass ich mehr Kokain oder »Koks« genommen hätte, wenn ich die Wirkung gemocht hätte. Das tat ich aber nicht – soll heißen, ich mochte kein Kokain. Es verschaffte mir keine euphorische Erregung, ich bekam davon bloß das Gefühl, ich hätte auf nüchternen Magen ein Dutzend Tassen Kaffee getrunken. Das war ein scheußliches Gefühl, auch wenn meine Bekannten wie beispielsweise Steve Edwards immer so taten, als verschaffte Kokain ihnen das tollste Gefühl aller Zeiten. Mir bedeutete es nichts. Ich mochte es auch nicht, dass den Leuten, die gerade gekokst hatten, immer so die Augen hervorquollen und die Lippen so seltsam und

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