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Der bleiche König: Roman (German Edition)

Der bleiche König: Roman (German Edition)

Titel: Der bleiche König: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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unkontrollierbar im Gesicht zuckten und dass flache und offensichtliche Gedanken ihnen plötzlich unglaublich tiefgründig vorkamen. Meine augenfälligste Erinnerung an diese Kokainphase ist, dass jemand, der unter Kokain steht, auf irgendeiner Party hektisch und intensiv auf mich einredet und ich unauffällig zurückweiche, aber jedes Mal, wenn ich einen Schritt zurückmache, macht er einen Schritt vor usw. usf., und irgendwann hat er mich mit dem Rücken an einer Wand, ich stehe im Wortsinn mit dem Rücken an der Wand, und er quasselt nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht weiter, was ich absolut nicht abkann. Das passierte tatsächlich bei den Partys der Zeit. Ich muss ein bisschen von der Affektkontrolle meines Vaters abbekommen haben. Mit der übertriebenen körperlichen Nähe eines sehr erregten oder aufgewühlten Menschen konnte ich noch nie gut umgehen, was auch ein Grund ist, warum der Geschäftsbereich Revision für mich nicht infrage kam, als es im SMZ um die Auswahl und Zuordnung ging – ach, das muss ich noch erklären: SMZ steht für »Schulungs-und-Management-Zentrum«, und das hat rund ein Viertel der Festangestellten im heutigen IRS über dem Rang eines GS -9 absolviert, besonders wenn sie – wie ich – im Rahmen eines Personalrekrutierungsprogramms zum Service gekommen sind. Gegenwärtig gibt es zwei solche Ausbildungszentren, eins in Indianapolis und ein etwas größeres in Columbus, Ohio. Beide SMZ sind Geschäftsbereiche der sogenannten Finanzschule, da der Service genau genommen ein Zweig des Finanzministeriums der USA ist. Das Finanzministerium umfasst allerdings alles Mögliche, von der Behörde für Alkohol, Tabak und Schusswaffen bis hin zum Secret Service, und deshalb steht »Finanzschule« heute für über ein Dutzend verschiedene Ausbildungsprogramme und -einrichtungen, darunter die Akademie der Bundespolizei in Athens, Georgia, wo die hingeschickt werden, die das SMZ bei der Steuerfahndung haben will und die da zusammen mit Agenten von ATF, Drogenbehörde, Bundes-Marshals usw. usf. eine Zusatzausbildung bekommen.
    Downer wie Seconal und Valium ließen mich jedenfalls einfach nur einschlafen, und ich bekam keinen Lärm mit, auch keine Wecker, bis zu vierzehn Stunden, von daher gehörten die auch nicht gerade zu meinen Lieblingsdrogen. Sie dürfen nicht vergessen, dass die meisten Drogen in jener Zeit im Überfluss vorhanden und leicht zu bekommen waren. Das galt in besonderem Maße an der UIC, wo mein Mitbewohner, mit dem ich den Fuß beobachtete und so oft im Hat abhing, eine Art menschlicher Verkaufsautomat für Drogen war, der Verbindungen zu mittelschweren Dealern in den westlichen Vorstädten aufgebaut hatte, nach denen befragt er immer absolut paranoid und misstrauisch reagierte, als wären das Mafiosi und nicht in der Regel junge Pärchen in Apartmentanlagen. Ich weiß, dass ich ihm als Mitbewohner u. a. sympathisch war, weil es so viele verschiedene Drogen gab, die ich nicht mochte oder nicht vertrug, sodass er sich keine Sorgen machen musste, ich könnte sein Geheimdepot entdecken – das waren meistens zwei Gitarrenkoffer hinten in seiner Schrankhälfte, was aber jeder Idiot sofort daran gemerkt hätte, wie er mit dem Schrank umging und dass er da überhaupt zwei Gitarrenkoffer drinhatte, obwohl er immer nur die eine Gitarre hervorholte, auf der er dann immer wieder seine zwei Songs spielte – oder ihn bescheißen. Wie die meisten dealenden Studenten dealte er kein Kokain, weil dabei zu viel Geld im Spiel war, ganz zu schweigen von den Leuten im Koksjieper, die morgens um drei bei einem an die Tür hämmerten, und darum wurde Kokain von etwas älteren Typen mit Lederhüten und dünnen Rattenschwanzschnurrbärten übernommen, die in Bars wie dem Hat und dem King Philip’s dealten, das war damals auch so eine angesagte Kneipe nahe der Wertpapierbörse an der Monroe, sodass sie auch jüngere Commodities-Händler versorgen konnten.
    Mein UIC -Mitbewohner war in der Regel gut eingedeckt mit Psychedelika, die damals schon eindeutig Mainstream-Drogen waren, aber ich persönlich hatte Angst vor Psychedelika, hauptsächlich, weil ich immer daran denken musste, was Art Linkletters Tochter passiert war – meine Eltern hatten in meiner Kindheit sehr viel Art Linkletter gesehen.
    Wie jeder normale Student mochte ich Alkohol und besonders Bier in Bars, obwohl ich nicht gern so viel trank, dass mir schlecht wurde – Übelkeit kann ich einfach nicht ausstehen. Lieber Schmerzen als

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