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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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führte eine Kordel zu einer Metallleiste an der Decke, an der vier Punktstrahler montiert waren. In der Leiste verborgen war ein kleiner Flaschenzug, über den die Kordel zurück zu Salgados scheinbar gebrochenem Hals lief. Die Kordel war so straff gespannt, dass Salgados seitlich weggesackter Kopf den Boden nicht berührte. Bei genauerer Inspektion der Rolle stellte sich heraus, dass der Flaschenzug durch einen Knoten im Seil blockiert worden war.
    »In dem Moment, wo der Stuhl umgekippt ist«, sagte Falcón, »war er ein toter Mann.«

    Calderón ging vorsichtig um das Blut auf dem Boden herum. »Aber was zum Teufel ist vorher hier passiert?«, fragte er.
    Der gleiche Médico Forense, der auch Raúl Jiménez untersucht hatte, tauchte im Türrahmen auf.
    Dies war das erste Mal, dass Falcón sich einem Mordopfer gegenübersah, das er persönlich gekannt hatte. Seine letzte Begegnung mit Salgado, bei der er in der Bar Albariza Manzanilla mit ihm getrunken hatte, ging ihm nicht aus dem Kopf. Als er ihn jetzt leblos auf dem blutverschmierten Boden liegen sah, die grausame Würdelosigkeit seines Todes offensichtlich, durchzuckte ihn ein stechendes Schuldgefühl, weil er den Mann nicht gemocht hatte. Er ging weiter an dem Bücherregal entlang, um in Salgados Gesicht schauen zu können, sah die mit Socken als Knebel ausgestopften, blutüberströmten Wangen. Auch der Hemdkragen war blutgetränkt. Salgados Augen starrten zu Falcón hoch, und dieser zuckte zusammen. In dem gerinnenden Blut auf dem Boden entdeckte er, was er befürchtet hatte: kleine Hautlappen mit feinen Härchen.
    Fotos wurden gemacht. Felipe und Jorge begannen, Blutproben von jedem Blutspritzer auf dem Boden zu nehmen, bis sie einen Weg für den Médico Forense gebahnt hatten, der sich neben die Leiche kniete. Er murmelte seine Beobachtungen in sein Diktafon – eine Beschreibung Salgados, eine Aufzählung der Verletzungen sowie die mutmaßliche Todesursache.
    »… starker Blutverlust aus Kopfverletzungen, die das Opfer sich durch das Schlagen seines Kopfes an die spitzen Kanten und Ecken der Rückenlehne selbst zugefügt hat … Augenlider abgetrennt … Indizien für Tod durch Ersticken … möglicherweise Genickbruch … Todeszeit: innerhalb der letzten acht Stunden …«
    Falcón gab Calderón sein Handy und spielte ihm die um 2.45 Uhr hinterlassene Nachricht vor. Calderón hörte sie an und gab das Handy an den Médico Forense weiter.
    »›Du weißt, was zu tun ist?‹«
    »Dieser Flaschenzug wurde nicht vom Mörder installiert«, sagte Falcón. »Er war bereits vorhanden. Irgendwie wusste Sergio, dass Salgado eine Neigung zur Selbststrangulation hatte. Er hat ihm erklärt, wie er das Ganze beenden konnte, indem er seine sexuelle Vorliebe zu weit trieb.«
    »Selbststrangulation?«, fragte Calderón.
    »Bei sexuellen Handlungen ständig am Rand der Erstickung zu balancieren intensiviert das Erlebnis«, erklärte Falcón. »Die Praktik ist leider nicht ganz ungefährlich.«
    Sachen … von denen du nicht mal träumen könntest , dachte Falcón.
    Einer der Streifenpolizisten kam an die Tür. Ein Polizist von der Wache wollte Falcón wegen eines Einbruchs in Salgados Haus sprechen, den er vor zwei Wochen untersucht hatte. Falcón traf den Beamten im Flur und fragte ihn, wo der Täter eingedrungen war.
    »Das war ja das Seltsame, Inspector Jefe, es gab keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens, und Señor Salgado hat erklärt, dass nichts gestohlen worden war. Er wusste nur, dass jemand in seinem Haus gewesen war. Er war überzeugt, dass der Eindringling das Wochenende hier verbracht hatte.«
    »Warum?«
    »Das konnte er mir nicht sagen.«
    »Kommt das Hausmädchen an Wochenenden?«
    »Nein, nie. Und der Gärtner nur im Sommer, um die Pflanzen zu gießen. Wenn Señor Salgado zu Hause war, hat er großen Wert auf seine Privatsphäre gelegt.«
    »War er häufig außer Haus?«
    »Das hat er mir jedenfalls erzählt.«
    »Haben Sie das Haus untersucht?«
    »Natürlich. Er ist mit mir überall rumgegangen.«
    »Irgendwelche Schwachpunkte?«
    »Im Erdgeschoss nicht, aber im obersten Stockwerk gibt es ein Zimmer mit eigener Dachterrasse, und das Türschloss war praktisch unbrauchbar.«
    »Und was ist mit dem Zugang zur Dachterrasse?«
    »Wenn man erst mal auf dem Garagendach ist, kann sich praktisch jeder auch auf die Dachterrasse hochhangeln«, sagte der Polizist. »Ich habe ihm gesagt, dass er das Schloss auswechseln soll, einen Riegel an der Tür anbringen

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