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Der Blinde von Sevilla

Der Blinde von Sevilla

Titel: Der Blinde von Sevilla Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Wilson
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Entsetzen auf ihrem Gesicht.
    »Stimmt irgendetwas nicht?«, wollte er wissen.
    Consuelo Jiménez ging langsam durch den Raum und betrachtete jedes einzelne Gemälde, von den Kuppeln und Stutzbögen der Iglesia de San Salvador bis zu dem auf Säulen stehenden Herkules auf der Alameda.
    »Sie sind alle hier«, sagte sie und sah ihn verblüfft an.
    »Was?«
    »Die drei Gemälde, die ich Ihrem Vater abgekauft habe.«
    »Oh«, sagte Falcón mit sparsamer Verlegenheit.
    »Er hat mir versichert, es wären Originale.«
    »Das waren sie zum Zeitpunkt des Verkaufs auch.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte sie und zog verärgert am Saum ihres Jacketts.
    »Verraten Sie mir, Señora Jiménez, als mein Vater Ihnen die Bilder verkauft hat … haben Sie im Hof etwas getrunken und ein paar tapas gegessen und was dann? Er hat sie am Ellbogen gefasst und hierher geführt. Hat er Ihnen ins Ohr geflüstert: ›Alles in diesem Zimmer steht zum Verkauf bis auf … dieses hier‹?«
    » Genau das hat er gesagt.«
    »Und darauf sind Sie drei Mal hereingefallen?«
    »Natürlich nicht. Das hat er beim ersten Mal gesagt …«
    »Aber am Ende haben Sie genau dieses Gemälde gekauft?«
    Sie ignorierte ihn. »Beim nächsten Mal hat er gesagt: ›Das hier ist zu teuer für Sie.‹«
    »Und beim dritten Mal?«
    »›Der Rahmen passt nicht … ich würde es Ihnen auf keinen Fall verkaufen.‹«
    »Und jedes Mal haben Sie das Bild gekauft, von dem er Ihnen erklärt hat, dass Sie es nicht kaufen sollen oder können.«
    Sie stampfte mit dem Fuß auf, noch im Rückblick wütend über ihre Demütigung.
    »Ärgern Sie sich nicht zu sehr, Señora Jiménez«, sagte Falcón. »Niemand sonst hat die Gemälde, die sich in Ihrem Besitz befinden. Er war weder dumm noch achtlos. Es war nur ein kleines Spiel, das er gern spielte.«
    »Ich verlange eine Erklärung«, sagte sie, und Falcón war froh, keiner ihrer Angestellten zu sein.
    »Ich kann Ihnen nur berichten, was geschehen ist. Über sein Motiv war ich mir nie ganz im Klaren«, sagte Falcón. »Ich bin zu keiner der Partys gegangen. Ich habe auf meinem Zimmer gesessen und amerikanische Krimis gelesen. Wenn die Gäste gegangen waren, platzte mein Vater, der zu diesem Zeitpunkt für gewöhnlich schon betrunken war, in mein Zimmer, egal ob ich schlief oder nicht, brüllte ›Javier!‹ und wedelte mit einem Bündel Geldscheinen vor meinem Gesicht. Seine abendlichen Einnahmen. Wenn ich schon geschlafen hatte, brummte ich irgendwas Zustimmendes. Wenn ich noch wach war, nickte ich ihm über den Rand meines Buches hinweg zu. Dann ging er direkt in sein Atelier und malte genau das Bild, das er gerade verkauft hatte. Am nächsten Morgen hing es schon gerahmt an der Wand.«
    »Was für ein außergewöhnlicher Mensch«, sagte sie angewidert.
    »Ich habe zugesehen, wie er das Bild vom Dach der Kathedrale gemalt hat. Wollen Sie wissen, wie lange er gebraucht hat?«
    Sie betrachtete das Gemälde, eine fantastisch komplizierte Reihe von Strebebögen, Mauern und Kuppeln, eingefangen mit kubistischem Schwung.
    »Siebzehneinhalb Minuten«, sagte Javier. »Er hat mich aufgefordert, die Zeit zu nehmen. Und er war betrunken und bekifft.«
    »Aber was sollte das Ganze?«
    »Ein hundertprozentig profitabler Abend.«
    »Aber warum sollte ein Mann wie er …? Ich meine, das ist einfach zu albern. Die Bilder waren teuer, aber ich glaube nicht, dass ich für eines mehr als eine Million bezahlt habe. Was hat ihm das Ganze gebracht? Brauchte er Geld oder was?«
    Sie schwiegen, während ein warmer Wind durch den Innenhof strich.
    »Hätten Sie Ihr Geld gern zurück?«, fragte er.
    Sie wandte sich langsam von dem Bild ab und sah ihn direkt an.
    »Er hat es nicht ausgegeben«, sagte Falcón. »Keine einzige Peseta. Er hat es nicht mal auf sein Konto eingezahlt. Es liegt alles in einem Waschmittelkarton oben in seinem Atelier.«
    »Und was hat all das zu bedeuten, Don Javier?«
    »Es bedeutet … dass Sie vielleicht nicht so wütend auf ihn sein sollten, weil das Spiel, das er gespielt hat, letztlich gegen ihn selbst gerichtet war.«
    »Darf ich rauchen?«
    »Selbstverständlich. Kommen Sie mit nach draußen, ich hole Ihnen etwas zu trinken.«
    »Einen Whisky, wenn Sie haben. Ich brauche jetzt etwas Starkes.«
    Sie nahmen unter einer einzelnen Lampe im Kreuzgang des Innenhofs auf gusseisernen Stühlen an einem mosaikverzierten Tisch Platz und nippten an ihrem Whisky. Falcón fragte nach Señora Jiménez’ Kindern, doch sie war bei ihrer

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