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Der blonde Vampir

Der blonde Vampir

Titel: Der blonde Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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»Warum
hast du gerade mich angerufen?« will Seymour wissen.
»Weil du so sexy bist.«
Er lacht. »Wahrscheinlich wußtest du, daß ich der einzige bin, der nicht
darauf besteht, daß du Anzeige erstattest.«
»Ich möchte dich wirklich bitten, nicht über diese Sache zu reden.« »Versprochen.«
Ich lächle und tätschle sein Bein. »Ich glaube dir. Abgesehen davon bist du
der Typ, der hin und wieder nichts gegen ein kleines Abenteuer einzuwenden
hat.«
Er sieht mich durch seine dicken Brillengläser an. »Mag sein, daß du für mich
sogar ein bißchen zu abenteuerlich bist. Und du willst mir wirklich nicht sagen,
was passiert ist?«
»Du würdest mir kaum glauben.«
Er schüttelt den Kopf. »Nach diesem Traum, den ich von dir hatte, glaube ich
alles. Es war einfach unglaublich.«
»Erzähl mir davon.«
»Ich habe geträumt, daß du auf einem Schlachtfeld stehst und eine ganze
Dämonenarmee dich einzingelt. Sie hatten alle möglichen Waffen: Äxte und
Schwerter und Hämmer. Ihre Gesichter waren furchterregend. Sie johlten laut
und haben nur darauf gewartet, dich zu zerfetzen. Du standest ein wenig
erhaben, abseits des Feldes, auf einem mit Gras bewachsenen Hügel. Der Rest
des Feldes war staubig rot, so etwa, wie man sich eine Ebene auf dem Mars
vorstellt. Der Himmel war voller Rauch. Du warst allein gegen Tausende. Die
Situation schien hoffnungslos. Aber du hattest keine Angst. Du warst gekleidet
wie eine Göttin, trugst ein silbernes Kettenhemd, in der rechten Hand ein
Schwert, goldgefaßte Smaragdohrringe, die funkelten, als du über das Meer
deiner Feinde blicktest. Eine Pfauenfeder schmückte dein geflochtenes Haar,
und deine Füße steckten in hohen Stiefeln aus dem Leder eines frisch
geschlachteten Tieres. So frisch, daß es noch blutig war. Du hast gelächelt, als
sich die erste Reihe der Dämonen auf dich zu bewegte. Hast dein Schwert gehoben. Und die Zunge rausgestreckt.«
»Die Zunge?«
»Ja. Es war wirklich unheimlich. Deine Zunge war unglaublich lang. Sie war
purpurrot, blutig – sie sah so aus, als hättest du eben ein Stück herausgebissen.
Als du sie herausstrecktest, schienen die Dämonen plötzlich zu erstarren. Sie
wirkten ängstlich. Dann entrang sich ein Laut deiner Kehle, der schwer zu
beschreiben ist. Er war lang und schien ganz tief aus dem Innern zu kommen. Er
breitete sich über das ganze Schlachtfeld aus, so daß jeder Dämon ihn hörte und
damit seinen Todesstoß erhielt.«
»Wow«, sage ich scheinbar beeindruckt. Die Sache mit der Zunge erinnert
mich natürlich an die Yakshini. Jetzt gibt es für mich keinen Zweifel mehr
daran, daß Seymour unglaublich sensibel ist. Er spürt, wenn etwas
Merkwürdiges vor sich geht. Und er scheint auf geheimnisvolle Weise mit mir
verbunden zu sein – so wie ich mit ihm. Das ist selbst für mich nicht leicht zu
verstehen. Ich kann mir meine große Zuneigung zu ihm nicht erklären. Sie ist
anders als die Liebe zu Ray, die Leidenschaft, die ich für ihn verspüre. Seymour
ist für mich mehr wie ein jüngerer Bruder, vielleicht sogar ein Sohn.
Fünftausend Jahre lang habe ich nie ein Kind gehabt – außer Lalita. Es macht
mir Spaß, ein bißchen mit Seymour zu spielen.
»Hast du noch mehr geträumt?« frage ich.
»Ja.« Er nickt. »Aber ich bin mir nicht sicher, daß du es hören möchtest. Es ist
ziemlich herb.«
»Mich wirft so leicht nichts um.«
»Nach dem, was ich heute abend erlebt habe, glaube ich das fast auch. Also
weiter: Als alle Dämonen tot waren, bist du über das Schlachtfeld geschritten.
Hier und da bist du auf einen Kopf getreten, so daß der Schädel splitterte und
Gehirnmasse herausquoll. Einige der Köpfe hast du auch abgeschnitten und sie
gesammelt, um dir eine Kette daraus zu machen. Wenn du einen Dämon
fandest, der nicht ganz tot war, hast du ihn an der Kehle gepackt und zu dir hochgehoben.« Er macht eine kleine Pause, damit die nächsten Worte noch größere Wirkung haben. »Dann hast du mit deinen Nägeln seinen Hals geöffnet
und sein Blut getrunken.«
»Klingt gar nicht übel.« Dieser Junge verblüfft mich immer mehr. In seinem
Traum hat er gesehen, was mir in dieser Nacht widerfahren ist. »Geht’s noch
weiter?«
»Nur noch ein bißchen. Während du so über das Schlachtfeld gewandert bist,
begann das Fleisch der Dämonen zu verfallen. Innerhalb von Sekunden zerfielen
sie zu Knochenmehl und Staub. Dann verdüsterte sich der Himmel noch mehr.
Ein großer Vogel tauchte am Horizont auf, begann über dir zu kreisen und

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