Der blonde Vampir
zu meinen Füßen nieder. Er atmete, das konnte ich sehen, aber er war über und über mit dem schwarzen Gift bedeckt, welches aus den unzähligen Wunden seines Körpers strömte.
Ich ließ Radha frei. Sie umarmte mich noch einmal, bevor sie ging. Aber sie lief nicht zu Krishna, sondern auf die anderen Frauen zu. Ich hörte, wie sich hinter mir der größte Teil der Vampire Richtung Wald zurückzog, als ob sie planten, die Flucht zu ergreifen. Aber dann zögerten sie doch; offenbar wollten sie sehen, was Krishna als nächstes tun würde. Er jedoch ignorierte sie einfach. Er wies auf mich, trat auf mich zu und kniete neben Yaksha nieder. Ich verspürte plötzlich ein merkwürdiges Gefühl. Als ich mich neben Krishna auf den Boden hockte, diesem Geschöpf, das mir mit aller Wahrscheinlichkeit bald den Todesstoß versetzen würde, fühlte ich mich auf einmal unglaublich geborgen, so, als ob er mich beschützte. Ich sah zu, wie er eine seiner wohlgeformten Hände auf Yakshas Stirn legte.
»Wird er weiterleben?« fragte ich.
Krishnas Antwort, die keine war, überraschte mich. »Willst du, daß er weiterlebt?«
Ich sah auf das, was von meinem alten Freund, der auch gleichzeitig immer mein Feind war, übriggeblieben war. »Ich will das, was du willst«, flüsterte ich.
Krishna lächelte fast feierlich. »Die Zeiten werden sich ändern, wenn ich diese Welt verlasse. Die Herrschaft Kali Yugas wird beginnen. Es wird eine Zeit der Not und des menschlichen Elends werden. Euer Geschlecht tut den Menschen nichts Gutes. Kali Yuga wird es allen schwer genug machen – auch ohne daß ihr noch das eure hinzutut. Siehst du das nicht auch?«
»Ja. Wir bringen allen nur Leid.«
»Warum hörst du dann nicht damit auf, Sita?«
Es berührte mich tief, wie er meinen Namen aussprach. »Ich will doch bloß leben, Herr.«
Er nickte. »Ich werde dich leben lassen, wenn du tust, was ich verlange. Wenn du versprichst, nie wieder ein Wesen deiner Art zu erschaffen, wirst du dich meiner Gnade und meines Schutzes erfreuen.«
Ich senkte den Kopf. »Danke, Herr.«
Er wies auf die anderen Vampire. »Geh zu ihnen. Ich muß mit eurem Anführer sprechen. Seine Tage sind noch nicht vorüber. Noch lange nicht.« Ich wandte mich ab, um zu gehen, aber Krishna hielt mich auf. »Sita?«
Ich drehte mich um und sah ihm ein letztes Mal ins Gesicht. Es war, als könne ich das ganze Universum in seinen Augen sehen. Vielleicht war er Gott selbst, vielleicht nur ein Erleuchteter. Es war mir egal, denn in diesem gesegneten Augenblick war mein Herz voller Liebe für ihn. Später wandelte sich diese Liebe in Haß, in Furcht. So unterschiedliche Gefühle, und doch waren sie alle nur ein Ton auf seiner Flöte. Mit seiner Musik hatte er mein Herz gestohlen.
»Ja, Herr?« fragte ich.
Er bat mich, näher zu ihm zu kommen. »Wo die Liebe ist, ist auch die Gnade«, flüsterte er. »Vergiß das nicht.«
»Ich werde es versuchen, Herr.«
Ich ging und stellte mich zu den anderen. Krishna erweckte Yaksha aus seiner Ohnmacht und flüsterte ihm leise etwas ins Ohr. Als er geendet hatte, nickte Yaksha. Krishna bat ihn, sich zu erheben, und wir alle sahen, daß Yakshas Wunden verschwunden waren. Yaksha kam zu uns herüber.
»Krishna sagt, daß wir gehen können«, sagte er.
»Was hat er dir sonst noch gesagt?« fragte ich.
»Das muß ich für mich behalten. Was hat er dir gesagt?«
»Das muß ich ebenfalls für mich behalten.«
Doch es dauerte nicht lange, da erfuhr ich zumindest einen Teil dessen, was Krishna Yaksha ins Ohr geflüstert hatte. Yaksha begann heimlich, Vampire zu töten. Was er tat, ließ sich nicht lange verbergen, und so flohen wir alle, auch ich. Aber in langen Jahren jagte und erlegte er die anderen, auch zu der Zeit, als Krishna schon nicht mehr auf Erden weilte und Kali Yuga regierte. Yaksha verfolgte sie über Jahrhunderte hinweg, zur Not bis ans Ende der Welt, bis keiner von ihnen mehr übrig war – außer mir. Doch mich suchte er nie, und als im Mittelalter der Schwarze Tod ganz Europa in Angst und Schrecken versetzte, hörte ich, daß er der Hexerei angeklagt worden sei und daß ihn eine ganze Armee hetzte, bis sie ihn fanden und in einer alten Burg lebendigen Leibes zu Asche verbrannten. Ich weinte, als ich diese Nachricht hörte, denn obwohl er mir alles gestohlen hatte, was ich liebte, war ich doch in gewissem Sinne sein Geschöpf. Er war mein Herr, so wie Krishna mein Herr war. Ich hatte beiden gedient, dem Licht und der Dunkelheit, und beides hatte ich
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