Der Blumenkrieg
Federlesens den Arm in eine trächtige Stute schieben würde. »Stell dir vor«, sagte sie zu Apfelgriebs, »ein richtiger Mensch!«
»Sie weiß Bescheid?« Theo war ein wenig verdutzt.
»Natürlich weiß ich Bescheid. Und ich bin wirklich begeistert.« Sie hielt ihm die Hand hin. »Entschuldige bitte, ich bin eine gräßliche Gastgeberin, aber das kann mir leider passieren, wenn mich der Forscherdrang packt. Willkommen in unserem Haus. Ich bin Fürstin Ämilia Jonquille. Fürst Narzisse ist mein Bruder.«
Es dauerte einen Moment, bis Theo gewahr wurde, daß die Hand, die er drückte, eine Art Latexhandschuh trug. Vielleicht hatte sie ja wirklich gerade einer Stute Geburtshilfe geleistet, dachte er. Oder eher wohl einem Einhorn. »Sehr erfreut … dich kennenzulernen.«
»Oh, ganz meinerseits, Junker Vilmos. So, ich weiß, daß das eigentlich bis morgen warten sollte, wenn wir richtig mit den Tests beginnen können, aber bevor wir dich ins Bett lassen, würde ich gern noch ein oder zwei kleine und ich fürchte ein klein wenig mehr als geringfügig schmerzhafte Experimente an dir vornehmen.«
Ohne weiter auf die knapp außer Hörweite flatternde Apfelgriebs und Theos immer nervöser werdende Fragen zu achten, nahm Fürstin Jonquille ihn an der Hand und führte ihn durch den Wachturm in die steinerne Feste der Narzissen-Residenz.
19
Ein Feiertagsbesuch
D er Wind war am Morgen umgeschlagen und blies jetzt aus Nordosten, eine steife, vom Ys herkommende Brise, die in den schwankenden Baumwipfeln von Ur-Arden heulte und einen spürbaren Biß hatte, der erste Vorbote des fernen Winters. Es war der Tag vor Mabon, und viele der Mitarbeiter gedachten, für den Feiertag nach Hause zu fahren, um Verwandte auf dem Lande zu besuchen, die sie schon Monate nicht mehr gesehen hatten. Die jüngeren Angestellten, darunter auch einige, die sich die Heimfahrt nicht leisten konnten, richteten das große Haus mit Kornpüppchen und Eichellabyrinthen und Apfelhaufen auf den Tischen festlich her. Einer der Hausmeister hatte einen Weinmond aus Weidenruten und Birkenrinde gebastelt und ihn über die Eingangstür gehängt, wo er im auffrischenden Wind baumelte.
Es war ein aufregender Tag in der Villa Zinnia, und nicht allein wegen des Feiertags oder des Wetterumschwungs oder wegen eines der üblicheren Gründe: sympathetischer Wahnsinn bei den aufs Rentenalter zugehenden Anstaltsheinzeln oder der Ausbruch eines der Mutterkrautzwillinge (jedesmal tauchten sie sofort im hügeligen Umland der Klinik unter, so daß der Leiter manchmal einen abgerichteten Schwarzen Hund samt Führer kommen lassen mußte, um den verwandlungsfreudigen Ausreißer aufzuspüren). Nein, der Grund dafür, daß die Schwestern aufgeregt miteinander tuschelten, wenn sie sich auf den Fluren begegneten oder bei Tee und Lavendelölbrötchen im Pausenraum zusammengluckten, war das Wissen, daß die Patientin, die sie unter sich die stumme Primeltochter nannten, einen ihrer seltenen Besucher empfangen sollte. Daß es sich dabei fast stets um denselben Besucher handelte und daß er an den meisten Feiertagen kam, machte ihn für das Anstaltspersonal nicht weniger interessant. Erephine Primels Besucher war nicht nur selbst nach den hohen Maßstäben seiner Art ein gutaussehender Mann und überdies der Stammhalter eines der mächtigsten Adelsgeschlechter, er war auch, wie alle Welt wußte, ledig. Der Druck der Familie war stark, und angeblich hatte er ein oder zwei Kegel gezeugt, aber das hieß noch lange nicht, daß er sich niemals verheiraten würde. Und es gab, worauf eine der jüngsten Schwestern hinwies, kein Gesetz in Elfien, das ihm verbot, eine Bürgerliche zur Frau zu nehmen, wenn er sich in eine verliebte.
Die älteren Schwestern lachten darüber. Die Junge, die von dem Primelprinzen gesprochen hatte, als ob er dieselbe Welt bewohnte wie sie, war noch taufeucht hinter den Ohren, ein Bauernmädchen aus Efeurund, das die im Spiegelstrom der Villa Zinnia laufenden Liebessagen mit dem gleichen gespannten Ernst verfolgte wie andere Elfen die Nachrichten über die jüngste Debatte im Blütenparlament oder interfeldliche Handelsstatistiken oder ferne Grenzscharmützel zwischen den Riesen und den kleineren, aber verwegeneren Bergtrollen. Dennoch waren alle ihre Kolleginnen außer den seelisch völlig verhärteten gerührt über den unerschütterlichen naiven Glauben der jungen Schwester, daß selbst ihre großen, schmucken Flügel kein Hindernis für eine
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