Der Blumenkrieg
jetzt zerknirscht, aber zugleich wild entschlossen. »Ich sehe nur eine Lösung. Nachdem ich dich getötet habe, werde ich auch meinem Leben ein Ende setzen müssen. Das wird die Schande nicht ganz auslöschen können, doch etwas anderes bleibt mir nicht übrig.«
Theo blickte auf den hochgewachsenen Elf und seine erschreckend spitze Klinge. »Oh, Scheiße«, war alles, was ihm einfiel.
28
Goblinjazz
F alls du eine Waffe hast«, sagte der Elf, der die ernste Absicht zu haben schien, ihn zu ermorden, »dann solltest du sie jetzt ziehen. Der Ehrenkodex verbietet mir nicht, dich zu töten, wenn du unbewaffnet bist, aber mir wäre wohler, wenn du dich verteidigen könntest.«
Theo wich zurück. Der Angstschub hatte seine Müdigkeit weggebrannt, doch er wußte, daß er zu ausgelaugt war, um wegzulaufen oder gar gegen einen größeren Mann mit einer langen, scharfen Stichwaffe zu kämpfen. »Das ist doch gar nicht nötig!« beschwor er den Mann namens Caradenus, doch dieser schritt weiter auf ihn zu. Theo versuchte auf etwas anderes zu kommen, das ihn vielleicht retten konnte, doch sein Hirn war wie ausgeschaltet. »Jesus Christus, Buddha und Mohammed! Heiliger Franz von Assisi! Es lebe der Papst!«
Wuschel zuckte mehrmals zusammen und hielt sich die Ohren zu, aber der Elf mit dem Dolch blinzelte nur.
Diese Leute treiben sich mittlerweile in Clubs herum, die »Christrose« heißen, dachte Theo verzweifelt. Vermutlich kuriert sie das langsam von ihrer Empfindlichkeit gegen religiöse Namen. »Warum tust du das? Ich kenne dich doch gar nicht! Ich kenne nicht einmal meinen Großonkel Eamonn, Jesses noch mal!«
Diesmal nicht einmal mehr ein Blinzeln. »Du hast mein Mitgefühl, aber sonst nichts. Ich bin sicher, daß du auf deine Art unschuldig bist, nicht aber dein Blut. Genau wie die Bestrafung eine Angelegenheit der ganzen Sippe ist, so auch das ursprüngliche Verbrechen.« Die Klinge beschrieb kleine Kreise, hypnotisierend wie das Wiegen eines Kobrakopfes. »Dein Großonkel hat meine Schwester geschändet und die Primelsippe entehrt. Sei froh, daß mein Vater tot ist.« Einen Moment lang verzerrte so etwas wie Kummer das Gesicht des Elfs. »Sei froh, daß der Verräter Nieswurz ihn ermordet hat, denn mein Vater hätte dir nicht die Gnade eines schnellen Todes erwiesen.«
»Aber Nieswurz ist auch mein Feind!«
Das Gesicht war wieder ruhig und ausdruckslos geworden. »Das spielt keine Rolle. Dies hier ist nichts Politisches. Hier geht es um einen Bluteid an den Wassern des Brunnens.« Der Elf stach zu.
Theo geriet beim Zurückzucken ins Stolpern, was ihm wahrscheinlich das Leben rettete, aber die Spitze der Klinge bohrte sich dennoch an der Schulter durch sein Hemd, und ein kaltes Streifen sagte ihm, daß die Haut darunter auch einen Ritz abbekommen hatte. Der Elf hielt nicht inne, sondern ging weiter auf ihn los, den Dolch abermals auf das Herz gerichtet.
»Halt!« rief Wuschel Segge. »Er ist nicht, wofür du ihn hältst!«
»Ausreden werden ihm nichts nützen. Er hat mit eigenem Munde gestanden.«
Theo warf sich abermals nach hinten, als die Klinge vorschoß, und bekam nur einen weiteren, längeren Schnitt ins Hemd ab, doch jetzt war hinter ihm Stein, und es gab kein Entrinnen mehr. Er war die ganze Breite der Brücke zurückgewichen.
»Aber falsch!« Wuschel trat zwischen Theo und den Elf; die schmale Klinge traf ihn beinahe ins Auge. Die dunkle Haut des Querzes wurde einen ganzen Ton heller. »Er nennt ihn seinen Großonkel, aber das stimmt nicht! Theo, sag ihm, was du erfahren hast!«
»Hä?« Sein Herz bummerte so sehr, daß ihm zumute war, als hätte jemand einen Kompressor an seine Adern angeschlossen. Es war wie der schlimmste Speedtrip aller Zeiten. Die Klinge tanzte nur Zentimeter vor seiner Brust. Sie kam höher, bis sie sich langsam vor seinem Hals hin und her bewegte. »Was sagen …?«
»Was du erfahren hast! In der Narzissen-Residenz! Darüber, wer du bist!«
»Ach so! Ja, ich … ich bin kein Mensch. Das haben sie mir gesagt.« Er konnte die Augen nicht von der silbernen Klinge abwenden, die mit verschlungenen Hirsch- und Blumenmustern verziert war.
»Was soll der Unsinn?« herrschte der Elf ihn an. »Was hat das mit der Ehre des Hauses Primel zu tun?«
»Wenn er kein Mensch ist, wenn er in Wahrheit einer von uns ist, wie kann er dann die Blutschuld an etwas tragen, das Eamonn Dowd deiner Familie angetan hat? Er dachte nur, er wäre mit Dowd verwandt, aber das ist er nicht –
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