Der Blumenkrieg
Er sagt häufig Sachen, die ich nicht verstehe. Er ist … nicht ganz richtig im Kopf.« Der Goblin schien nicht mehr darüber sagen zu wollen. »Ihr müßt Knopf fragen. Er war es, der den jungen Nessel gefunden hat. Er hält sehr große Stücke auf ihn, und folglich tun wir anderen das natürlich auch, o ja.«
Wuschel schloß sich ihnen an, und gemeinsam gingen sie über die Brücke und dann auf einer rohen Holztreppe hinunter zum Flußufer und der Zeltstadt. Theo beäugte das hellwache Gesicht des Querzes mit einem gewissen Unwillen. Wenn wir beide Elfen sind, dachte er, wieso sieht er dann schon wieder ausgeruht aus, während ich mich beschissen fühle? »Sind alle diese Leute obdachlos? Sind sie deshalb hier? Sorgt der Goblin, der Knopf heißt, für sie alle?«
»Du hast viele Fragen, junger Herr. Zu viele für den alten Riegel. Du mußt sie dir für diejenigen aufheben, die sie dir richtig beantworten können.« Er führte sie durch ein Gewirr von Zelten und Kochstellen, wo es zuging wie auf einem marokkanischen Markt, nur daß die Vielfalt der Einheimischen noch hundertmal bunter war. Es gab viele, die von Theo als »normale Elfen« verbucht wurden – weitgehend menschenähnlich, teils mit Flügeln, teils ohne –, und noch mehr Goblins, doch es gab auch eine eindrucksvolle Palette anderer Typen.
Eine Gruppe kleiner, mürrisch aussehender Kerle mit kurzem Fell am ganzen Leib wie ein Weimaraner Vorstehhund blickte die Vorbeigehenden finster an, als ob diese die Absicht haben könnten, die brennenden Scheite aus ihrem Lagerfeuer zu stehlen. »Stendel«, erklärte Wuschel leise. »Sie sind große Verwandlungskünstler, jedenfalls waren sie es früher. Sie gründeten eine Gewerkschaft, und jetzt kann niemand sie mehr für ihre Kunst bezahlen, weshalb sie so bleiben, wie sie sind. Eine ziemlich unschöne Schmuddelfarbe auf die Dauer, muß man sagen. Und diese freundlich dreinschauenden Frauen dort drüben sind Truden. Könnte sein, daß sie dich zum Tanz auffordern. Laß es bleiben. Früher brachten sie junge Männer wie dich dazu, die ganze Nacht zu tanzen, und fraßen sie dann auf. Heute machen sie das nicht mehr – wenigstens ist es ihnen verboten –, aber den Geldbeutel und die Kleider nehmen sie dir immer noch ganz gern ab, und du erwachst nackt und zerschunden irgendwo auf einer Wiese.«
»Entzückend«, sagte Theo. Sie bahnten sich einen Weg durch die Menge, wobei sie immer wieder den Kopf vor den allgegenwärtigen Seevögeln und Sumpfvögeln und Krähen einziehen mußten, die in jede kurz aufreißende Lücke stießen.
»Versteh mich nicht falsch, ich verurteile niemanden. Die meisten Querze verrichten mit Begeisterung Hausarbeiten – sie können Unordnung nicht ausstehen –, aber ich gehöre nicht zu dieser Art von Querzen, und deshalb nehme ich an, daß es auch Truden gibt, die Vegetarier sind oder die nicht gern tanzen, und Hämmerlinge, die sich in engen Schächten unwohl fühlen. Aber im großen und ganzen ist einer der Unterschiede zwischen Menschen und Elfen der, daß die Menschen alle ziemlich gleich veranlagt sind, während die Elfen … na ja, sagen wir mal, wir haben bestimmte Rollen. Am wohlsten fühlen wir uns, wenn wir tun, was man von uns erwartet.«
»So wie die Doonies Fahrer wurden, als der Staat die Straßen zu seinem Eigentum erklärte.«
»Ja, vielleicht, obwohl ich mir nicht sicher bin …« Plötzlich packte Wuschel Theo am Arm und zog ihn nach rechts. »Vorsicht! Tritt nicht auf die Klippies!«
Theo blickte zu Boden und sah ein Häuflein winziger Gestalten mit dunklen Gesichtern zu ihm aufschauen. Im nächsten Moment verliefen sie sich und huschten unter einer Zeltwand hindurch.
»Gleich, gleich sind wir da«, versicherte Riegel. »Ich wollte euch eigentlich beim Junker Primel einquartieren, aber da ihr euch nicht so gut versteht, hmmm, muß ich mir wohl etwas anderes einfallen lassen.«
Wuschel dachte immer noch über Theos Bemerkung nach. »Ja, ich vermute, du hast recht. Die Doonies wollten lieber sozial absteigen – sie waren einmal ein mächtiger Stamm, mußt du wissen – als von ihren geliebten Straßen lassen. Und schau mich an! Ich halte mich für so anders, der erste Querz mit einem Universitätsabschluß, aber was hat es mir letztlich gebracht? Ich arbeite als Hilfskraft in einem großen Haus statt in einem kleinen, mehr nicht. Räume auf, mache sauber. Ich bin immer noch ein Diener. Ich könnte genausogut für einen Bauern Brennholz schleppen, mit einem
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