Der Blumenkrieg
Schälchen Milch und einem Schlafplatz in der Scheune zum Lohn. Ich konnte es nicht ertragen, in welchem Zustand Fürstin Ämilia das Labor immer zurückließ, nicht wahr, und deshalb blieb ich da, wenn sie schon längst zum Essen gegangen war, und brachte alles in Ordnung …« Er schüttelte den Kopf. »Aber sie war gar nicht so übel, die Fürstin Ämilia.«
Theo beobachtete eine Schar von Leuten, die ihm Spieler zu sein schienen, hauptsächlich Brownies und Goblins. In der Nähe eines Feuers war auf dem Boden ein Kreis gezogen worden, und zwei Käfer krabbelten darin herum, sehr unstet, fand Theo, als ob jemand sie mit einem unsichtbaren Stock dazu anhielt, sich hierhin oder dorthin zu wenden. Schließlich übertrat einer der Zickzack laufenden Käfer die Linie, kippte augenblicklich auf den Rücken, als ob die Anstrengung zuviel für ihn gewesen wäre, und strampelte unter dem Jubel der Gewinner und dem Schimpfen der Verlierer schwach mit den Beinchen.
»Aber jetzt arbeitest du nicht mehr für Fürstin Ämilia«, sagte Theo, während der umgefallene Käfer beseitigt und ein neuer zu dem Sieger des vorangegangenen Kampfes in den Ring geworfen wurde. Wieder ging das Schreien los. »Du mußt nicht mehr … sein, was du vorher warst. Die Narzissen gibt es nicht mehr. Falls es jemals eine Zeit gab, um sich zu verändern …« Und ich, was brauche ich? Daß mir ein Felsbrocken auf den Kopf fällt? Ich bin komplett aus meiner Welt herausgerissen worden. Ich bin hier völlig fremd. Das ist auch meine Chance, meine Chance jemand zu sein, der … ja, was? Jemand, auf den ich stolz sein kann? Will ich so jemand werden? Ein Musterknabe wie aus dem Staatsbürgerkundebuch?
»Du hast recht, Theo«, erwiderte Wuschel. »Und nur deinetwegen bin ich überhaupt noch am Leben und habe jetzt die Gelegenheit, etwas anderes zu machen. Dafür danke ich dir.«
»Meinetwegen?«
»Ich wäre niemals aus der Narzissen-Residenz herausgekommen. Ich hatte aufgegeben. Ich wäre dort gestorben.«
»Na, du hast mich mehr als einmal gerettet. Ich denke, wir sind quitt.«
»Da sind wir!« rief Riegel. »Es ist klein, aber es wird gastlich und lustig sein, denke ich.«
Theo nahm das rechteckige gelbe Zelt in Augenschein. Es lehnte nach einer Seite, aber es war gute zweieinhalb Meter von einem Ende zum anderen und mehr als halb so breit – ganz annehmbar für zwei Personen, die davor ohne ein Dach über dem Kopf im Park geschlafen hatten. »Sieht aus, als müßte es in Ordnung sein.«
»Prächtig. Ich komme nur kurz mit hinein und mache euch bekannt mit euren neuen … wie sagt man noch mal? Mitzeltern? Schlafgenossen?«
»Hä?« Doch bevor er weitere Fragen stellen konnte, hatte Riegel die Eingangsklappe zurückgeschlagen und war eingetreten. Der Durchgang war sehr niedrig, und Theo mußte aufpassen, daß er nicht an der Klappe hängenblieb. Als er sich schließlich hineingezwängt hatte, war Riegel bereits am Reden.
»Ich bringe hier zwei Gäste, zwei ganz prima Kerle! Knopf hat persönlich darum gebeten, daß ihr sie bei euch aufnehmt und ihnen jeden Wunsch von den Augen ablest.«
Das beengte Innere des Zeltes wurde nur von einem schwach grün-grau leuchtenden Sumpflicht erhellt, das aber ausreichte, um zu erkennen, daß keiner der beiden schon vorhandenen Insassen über die neuen Mitbewohner wirklich entzückt war.
»Noch zwei von Knopfs speziellen Freunden?« fragte eine kleine, rundgesichtige Erscheinung, die nur einen roten Overall mit silbernen Knöpfen anhatte. Das streitlustige Gesicht und die in die Augen hängenden rötlichen Strubbelhaare verliehen ihr ein wenig das Aussehen eines rotmähnigen Stofflöwen; es dauerte einen Moment, bis Theo erkannte, daß mindestens einer ihrer neuen Zeltgefährten weiblichen Geschlechts war. »Mit der Ausrede hast du uns schon Stracki aufs Auge gedrückt, und der Brunnen soll mich verschlingen, wenn wir nicht jede Nacht mit anhören müssen, wie er im Schlaf um sich schlägt und vor sich hinbrabbelt. Und wenn er furzt, strahlt der ganze Raum wie die Leuchtreklame am Strohblumenplatz! Verflucht schwer, dabei zu schlafen.«
»Mach keine Witze, Mamsell Zwick! Du weißt selbst, wie gern du den Burschen hast.« Riegel schüttelte sein weißes Haupt. »Und er ist auf dich angewiesen.«
»Na schön, aber einen Mordslärm macht er wirklich«, sagte sie, doch Theo sah jetzt, daß sie dabei grinste. »Also gut, immer rein mit ihnen! Müssen wir halt ein bißchen zusammenrücken. Viel enger kann es
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