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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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in den Zellen in Nieswurz’ Keller auch nicht mehr werden, wenn wir alle wegen latenter Blumenfeindlichkeit vorsorglich verhaftet werden. Was meinst du, Kleiderhaken? Einverstanden mit Gästen?«
    Der zweite Bewohner des Zeltes war ein Goblin, aber von anderer Art als Knopf und Riegel, kleiner und noch drahtiger und mit eher schwarzen als braunen oder grauen Borstenhaaren. Seine gelben Augen verengten sich langsam, während er sich Mamsell Zwicks Frage durch den Kopf gehen ließ. »Mir egal«, war schließlich die Auskunft.
    »Prächtig!« freute sich Riegel über diese nicht eben enthusiastische Zustimmung. »Dann ist alles geregelt. Ihr zwei Neuen legt euch ein wenig schlafen. Ich komme euch gegen Mitternacht holen. Knopf wird eine Geschichte erzählen.«
    »Eine Geschichte? Um Mitternacht?«
    »Gewiß. Alle werden dasein. Mamsell Zwick, Kleiderhaken, seid so gut und helft diesen beiden, sich hier zurechtzufinden, solange ich weg bin, ja?« Und damit schob sich Riegel rückwärts zur Zeltklappe hinaus.
    Etwas kam durch die Luft gesegelt und hätte Theo beinahe am Kopf getroffen, wenn er nicht gerade noch die Hände hochgerissen und es gefangen hätte. Es war eine eingedellte Metallflasche, flach, so daß man sie gut in eine Gesäßtasche stecken konnte. »Es ist Wein. Nimm einen Schluck«, sagte Mamsell Zwick. »Willkommen in unserem bescheidenen Heim. Wir nennen es das Kurhotel Zwickmühle.« Kritisch beäugte sie Wuschel Segge, der ein wenig verdattert wirkte. »Hast du damit Schwierigkeiten? Bist du einer von diesen Blumentypen wie der junge Primel, deren Humor schon vor Jahren Hungers gestorben ist? Oder ist dir nur die Vorstellung unangenehm, mit einer emanzipierten Frau unter einem Dach zu leben?«
    »N-nein!« Wuschel schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, weder noch. Und ich bin ganz gewiß keine Blume.« Doch seiner Miene nach zu urteilen war ihm der Irrtum nicht ganz unangenehm. »Ich … ich habe nur vorher noch nie einen wilden Goblin kennengelernt.«
    »Kleiderhaken? Er wurde wild geboren, ist aber hier in der üblen Dreckstadt aufgewachsen wie wir alle, nicht wahr, Haki?« Der Goblin reagierte nicht. »Er ist nicht der merkwürdigste Zeitgenosse hier an der Brücke«, sagte sie lachend. »Er ist nicht einmal der merkwürdigste Zeitgenosse in diesem Zelt.«
    »Wenn ich recht verstanden habe, wohnen wir hier zu fünft«, sagte Wuschel.
    »Ja, stimmt.« Mamsell Zwick forderte Theo mit einer Geste auf, die Flasche an Wuschel weiterzureichen, der vorsichtig nippte und daraufhin einen großen, begeisterten Schluck tat.
    »Die Geschichten sind wahr!« Wuschel Segge schmunzelte jetzt. »Ihr Pucke habt wirklich den besten Wein. Was ist das, Löwenzahn?«
    »Und Kletten. Mit ein paar Hummelhintern dazu, dadurch wird er richtig spitze.« Sie lachte laut auf. »Spitze. Sapperment, bin ich heute wieder witzig!«
    »Stimmt das?« erkundigte sich Theo. »Du bist eine Puck?«
    »Ist das nicht offensichtlich? Aber ich kenne deinen Namen noch nicht, Freundchen. Ich bin Pipa Zwick aus der Blindfischstraße. Kleiderhaken hast du ja schon kennengelernt.«
    »Theo. Theo Vilmos.« Sein eigener Name klang ihm auf einmal merkwürdig. Es war ein bißchen komisch gewesen, mit einem ungarischen Nachnamen in einem gutbürgerlichen Vorort aufzuwachsen, wo die meisten anderen Kinder Johnson und Roberts und Smith geheißen hatten, doch als er dann in das kosmopolitische San Francisco gezogen war, in die Nachbarschaft von Nguyens und Battistinis, Chavezens und Khasigians, hatte er nicht mehr viel darüber nachgedacht. Jetzt war ihm sein Name zum erstenmal seit Jahrzehnten wieder peinlich – es kam ihm fast so vor, als müßte er aus Höflichkeit Geißblatt oder Blumenkohl oder so ähnlich heißen. »Und das ist mein Freund Wuschel Segge.«
    Warum sind Mama und Papa eigentlich aus San Mateo weggezogen? ging es ihm plötzlich durch den Kopf. Er hatte vorher noch nie wirklich darüber nachgedacht. Papa ging in Rente und mußte nicht mehr in die Stadt pendeln, so daß es für ihn im Grunde keine Rolle spielte. Könnte es sein, daß … daß Mama, oder vielleicht sogar alle beide, näher an mir dran wohnen wollten? Es war ein befremdlicher und neuer Gedanke und noch befremdlicher wegen der nach wie vor kaum zu begreifenden Tatsache, daß sie gar nicht seine richtigen Eltern gewesen waren.
    »Dann sind wir eine glückliche Mischung«, unterbrach Mamsell Zwick seine Reminiszenzen. »Auch wenn das vielleicht nicht jeder so

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