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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sieht.«
    »Was?«
    »Unser Freund Prinz Primel kam vor einer Weile brummelnd und zischend hier vorbei.« Sie griff sich von irgendwoher eine Zigarre und zündete sie mit einem rauhen Fingerschnalzen an. Im Zelt breitete sich übelriechender Qualm aus. »Ich drängte ihn, mir zu verraten, weshalb er so aschfahl durch die Gegend stiefelte, und er erzählte etwas von einem jungen Menschenmann, der angeblich gar kein richtiger Mensch war, einem neuen Straßenstreuner, den Knopf aufgegabelt hatte. Klang so, als hätte er sich mit ihm in die Wolle gekriegt, irgendwas mit Ehre und so weiter, humpf humpf humpf – sehr klar wurde es nicht. Primel ist ein guter Kerl, aber er redet einen Haufen Müll zusammen. Jedenfalls war er völlig aus dem Häuschen. Du hast einen Menschennamen. Du bist erst seit kurzem hier. Du bist anscheinend ein Freund von Knopf. Also ziehe ich meine Schlüsse. Bin ich zu vorschnell?«
    Theo zwinkerte sich ein paar Tränen aus den Augen. Mamsell Zwicks Zigarre in dem kleinen Zelt war fast so schlimm wie der Rauch in der Narzissen-Residenz. Dennoch amüsierte er sich über die flapsige Art der kleinen Puckfrau – sie kam ihm ein bißchen wie Johnny Battistini nach einer Geschlechtsumwandlung mit koboldesken Schönheitskorrekturen vor. »Na ja, wir hatten eine kleine Auseinandersetzung. Ein Mißverständnis.« Innerlich jedoch war er mit der Sache noch keineswegs fertig. Primel hatte eindeutig vorgehabt, ihn zu töten, und beinahe wäre ihm das auch gelungen, und so etwas war nicht einfach vergeben und vergessen wie eine Keilerei auf dem Schulhof. Theo nahm die angebotene Flasche und trank. Es brannte ein wenig in seiner immer noch rauhen Kehle, doch es erzeugte ein warmes Glühen in seinem Magen. Seine Muskeln entspannten sich, und das enge, verräucherte Zelt erschien mit einemmal urgemütlich.
    Lieber Himmel, erkannte er, ich bin schon nach einem guten Schluck betrunken! Das Zeug ist stark. Daß er müde war, steigerte seine Trinkfestigkeit nicht gerade. »Wo kann ich mich mal hinlegen?« fragte er, und plötzlich wurde ihm bewußt, daß die beengten Verhältnisse, in die er gesteckt worden war, für die anderen, die schon vorher hier gelebt hatten und an mehr Platz gewöhnt waren, noch viel unbequemer sein mußten. »Nur ein Eckchen. Ich schlafe im Stehen.«
    »Kann er sich drüben bei dir dazuquetschen, Kleiderhaken?« fragte Mamsell Zwick.
    Der Goblin wühlte unter ein paar sorgfältig zusammengelegten Tüten herum, die aussahen, als ob sie vor hundert Jahren einmal Einkäufe aus dem Supermarkt enthalten hätten – Theo konnte auf einer die verblaßte Aufschrift »Frisch vom Weidenhof!« entziffern –, und zog darunter ein zusammengerolltes dunkles Stück Stoff hervor, das selbst für eine Gefängnisdecke zu klein gewesen wäre. »Willst du Bettzeug?« fragte der Goblin. Seine Stimme war neutral, und sein Gesicht verriet nicht, was in ihm vorging, aber er hatte sehr durchdringende, leuchtende Augen. »Nein? Dann nimm meinen Mantel.«
    »Sehr nett von dir. Danke.« Theo breitete den Mantel aus und legte sich auf die kratzige schwarze Wolle. Neben dem natürlichen Lanolin von unbehandeltem Vlies witterte er noch einen anderen Geruch, stark, beinahe moschusartig, aber durchaus nicht unangenehm. Während er mit jeder Sekunde tiefer sank, fühlte er sich an das Großkatzenhaus im Zoo erinnert. Oder an etwas anderes. Das Fuchshaus? Das Wolfshaus? Gibt es überhaupt Wolfshäuser im Zoo …?
    Das letzte, was er hörte, war, wie Wuschet Segge mit bitterem, aber beinahe stolzem Ton sagte: »Wir waren dort. Wir waren in der Narzissen-Residenz, als es passierte …«
     
    B eim Aufwachen hatte Theo einen Brummschädel und statt eines Körpers einen einzigen schmerzenden Klumpen. Im Zelt war es dunkel, doch von außen warf ein Feuer einen schwachen Lichtschein herein. An einem Schatten, der über die Zeltwand strich, merkte er, daß er nicht allein war.
    Theo steckte vorsichtig den Kopf hinaus und sah den Goblin Kleiderhaken im Schneidersitz vor dem Feuer hocken; er schien etwas zu braten, oder vielleicht brannte er auch bloß das Ende eines Stocks an. Die gelben Augen richteten sich auf ihn.
    »Wo sind die andern? Ist es schon Mitternacht? Habe ich die Geschichte verpaßt?«
    Kleiderhaken zog seinen Stock aus dem Feuer und begutachtete ihn, dann rieb er die Spitze eine Weile an einen flachen Stein, bevor er ihn wieder in die Flammen hielt. »Noch nicht Mitternacht. Die Puck ist mit deinem Freund zum

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