Der Blumenkrieg
Leerstelle dazwischen? Das zu sagen kommt mir nicht zu. Die Geschichten meines Volkes gehen nicht so.«
»Die Blumengeschlechter müssen fallen!« schrie jemand.
»Sie haben uns bestohlen!« brüllte jemand anders. Die Menge begann Töne von sich zu geben wie ein erwachendes Tier, ein mächtiges, erbittertes Tier.
»Vorsicht, meine Freunde!« sagte Knopf. »In dieser Zeit, wo alle Macht bei den sich befehdenden Blumenfürsten liegt, wäre es dumm, sie zu provozieren. Wer würde schlecht von Fürst Nieswurz oder Fürst Stechapfel sprechen, wenn es ihre Mildtätigkeit ist, die die arbeitslosen Armen der Stadt am Leben erhält, und ihre Nachsicht, die verhindert, daß bewaffnete Soldaten hier in dieses Lager kommen und euch alle verhaften, die ihr in einer Zeit, wo das Parlament der Blüten das Kriegsrecht über die Stadt verhängt hat, eure Häuser ohne Genehmigung verlassen habt? Denn selbstverständlich wäre das Parlament befugt, jederzeit Truppen herzuschicken und jeden Bewohner dieser widerrechtlichen Enklave in ein Arbeitslager zu bringen oder sogar hinrichten zu lassen.«
»Das sollen sie nur versuchen!« kreischte eine lange, selleriegrüne Frau. Etliche stimmten ihr bei.
»Ruhig, ruhig«, sagte Knopf. »Wir müssen ruhig bleiben. Denn die Fürsten der Blumengeschlechter wollen gewiß nur euer Bestes, und sie haben die Macht, die Stadt unter ihrer gerechten Fuchtel zu behalten und das restliche Elfien unter der Fuchtel der Stadt.« Er hielt inne, als lauschte er dem unzufriedenen Murren, ließ seinen Blick langsam über das Meer der Gesichter im Fackelschein schweifen. Theo fragte sich, wie der Anblick von der Brücke aus wohl sein mochte. Karneval. Halloween hoch drei.
Über die Unmutsschreie hinweg heulte eine einsame Wolfsstimme ihre Klage.
»Wenn ich dächte, die Blumenfürsten wären korrupt und ihre Herrschaft verbrecherisch«, rief Knopf plötzlich, »dann müßte ich euch allerdings eine ganz andere Geschichte erzählen.« Die Menge verstummte. »Dann wäre ich verpflichtet zu sagen, daß der Tag kommen wird, an dem die Blumengeschlechter ihre Macht abgeben müssen. Ähem. Ich müßte sagen, daß es dieses eine Mal in einer Goblingeschichte kein Loch geben wird, müßte darauf hinweisen, daß es beim Tod des Königs und der Königin keine anderen Zeugen gab als die Oberhäupter der berühmten Sieben Familien und daß diese Familien sich jetzt auf drei dezimiert haben, ähnlich wie sich Banditen in der Nacht gegenseitig die Kehle durchschneiden, weil jeder die Beute von dem reichen Raubzug begehrt, den sie gerade verübt haben. Daß der König und die Königin, die mit gerechter Hand über alle herrschten, von uns genommen wurden und daß das vielleicht kein Zufall war. Jetzt setzen ihre Nachfolger gegenseitig ihre Häuser in Brand und treiben unsere Kinder mit Peitschen durch die Straßen.
Ja, wenn ich dächte, daß man sich der Herrschaft der Blumengeschlechter widersetzen müßte, würde ich nicht nur das Loch in meiner Geschichte schließen, ich würde euch sagen, daß ich mich bis zu dem Tag, wo entweder wieder Gerechtigkeit herrscht oder ich mein Leben aushauche, nicht mehr hinter dem Loch in meinem eigenen Namen verstecken wollte.«
Eine heisere Goblinstimme rief »Nein!« – und sie klang echt erschrocken, geradezu verängstigt. Ein kleiner Chor anderer Stimmen gesellte sich dazu, offenbar um Knopf von einem Vorhaben abzubringen, das Theo nicht recht verstand, doch Knopf lächelte nur.
»O meine Freunde, wenn ich dächte, der Widerstand gegen die Blumengeschlechter wäre unerläßlich«, fuhr er fort, »dann müßte ich sagen, daß Geheimhaltung, auch wenn sie eine lange Tradition hat, etwas für Feiglinge ist – daß manchmal sogar das Geheimnis nackt gehen muß.« Er streckte seine schlanken Arme in die Luft. »Ich würde hier vor euch stehen wie ein Kind bei seinem Namenslied und jedem, der Ohren hat zu hören, sagen, daß mein Sippenname Knopf ist, daß der Name, den ich im Nest erhielt, Dreckfink ist … und daß der Name, mit dem ich mich selbst nenne, mein Name heimlicher Verzweiflung, Laus ist.« Wieder erhob sich ein Schreckensschrei von den anwesenden Goblins. »Ich würde es allen sagen, weil der Tag naht, an dem auch das kleinste Krabbelwesen aufstehen und gezählt werden muß.
Das also würde ich tun. ›Ich heiße Dreck Laus Knopf‹, würde ich sagen, ›und ich werde nicht eher ruhen, als bis ich mein Eigenherz wiederhabe – meine Ehre!‹ Und an einem solchen Tag
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