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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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weiß, das jemals an einem sandigen Ufer gespielt hat, darf man seinen Sand nicht weit verteilen, wenn man eine hohe Burg bauen will. Man muß den Sand zusammenschieben, ihn unermüdlich auftürmen, und auf die Weise entsteht dann etwas Hohes und Eindrucksvolles wie die Residenz eines Blumenfürsten oder wie unsere große Stadt. Wenn das zur Folge hat, daß man jemand anderem etwas wegnehmen muß, damit man selbst genug hat für einen ordentlichen Haufen – nun, dann muß es eben sein. Die Magie Elfiens ist kein Sand am Flußufer, von dem alle Kinder sich gleichermaßen nehmen können, ob Goblin, Puck oder Blumensproß, zumal er allem Anschein nach nicht mehr so reichlich vorhanden ist wie einst – vielleicht weil wir unseren König und unsere Königin nicht mehr haben. Auf jeden Fall wäre nur ein Verrückter oder ein Egoist der Meinung, daß die Schönheiten unserer Stadt und die Kraft ihrer Fürsten und Fürstinnen mehr von Nutzen wären, wenn alle gleichen Anteil daran hätten. Diese Zeiten sind vorbei! Wer wäre so töricht, sich derart antiquierte Zustände zurückzuwünschen?«
    Die Menge fing jetzt zu murren an. Töne des Unmuts wurden laut, und selbst durch den Schleier von Theos wohliger Benommenheit drang die Sorge, Knopf könnte die Leute mit den Dingen, die er sagte, erzürnen, sie könnten allen Ogern zum Trotz jeden Augenblick die Brücke stürmen und den kleinen Goblin hinunterstürzen. Theos gute Stimmung schlug plötzlich um. Er fühlte sich von der Menge um ihn herum bedroht. Ich gehöre hier nicht hin. Was mache ich hier? Was bedeutet dieses ganze Gerede?
    Knopf fuhr fort, als ob er das Murren und die lauter werdenden Wutschreie gar nicht hörte. »Manche würden sagen, wir Goblins sollten uns besonders betrogen fühlen, o ja. Denn obwohl alle Stämme Elfiens heute den Blumenfürsten dienstbar sind, wurden nur die Goblins in Ketten zum Bau der Stadt herangeschleppt, aus ihren Wäldern und Ebenen entführt und in Eisenbahnwaggons verladen. Frauen wurden von ihren Männern getrennt, Eltern von ihren Kindern. Als die Arbeit getan war, mußten wir feststellen, daß die Gebiete, wo wir gelebt hatten, jetzt den Blumenfürsten und Blumenfürstinnen gehörten, daß die Wälder eingezäunt und die Ebenen gepflügt und mit Siedlungen und Bahngleisen überzogen worden waren.«
    »Ihr seid nicht die einzigen, von denen sie gestohlen haben! Die Zwerge haben sich nicht kampflos ergeben!« schrie jemand mit einer tiefen Stimme wenige Meter vor Theo. »Sie haben unsere Gilde zerstört. Unsere Familien mußten hungern. Achthundertundzwölf von uns kamen allein in der Schlacht am Goldenen Berg ums Leben, niedergemacht wie Ratten in einem Kornspeicher. Die Goblins sind nicht die einzigen, die gelitten haben!« Andere Stimmen fielen ein. Jemand schrie etwas über Waldnymphen und die Schändung von Ur-Arden, und Theo begriff, daß der wachsende Zorn der Menge sich nicht gegen den kleinen Goblin richtete.
    »Aha«, sagte Knopf. »Da seht ihr mal, was für ein dummer Goblin ich bin, selber jung und ohne ausreichende Kenntnisse der Geschichte, ähem. Es macht den Anschein, als hätte nicht mein Volk allein für diese gewaltige Blüte aus Ursilber und Kristall gelitten, die wir die Stadt nennen.« Er wiegte sich leicht hin und her, und seine Stimme nahm wieder ihren singenden Tonfall an. »Doch hört weiter. Es ist spät, und ich bin mit meiner Geschichte noch nicht fertig. Es ist spät, und die Kinder sollten ins Bett.
    Ich sagte euch, daß alle Goblingeschichten ein Loch in der Mitte haben, wie auch alle Goblinnamen. Es kommt mir nicht zu, euch zu sagen, was in diese Lücke gehört, diesen Geheimnisquell im Mittelpunkt Elfiens. Auf der einen Seite war es so, daß die Baumfürsten und alle anderen Bewohner Elfiens friedlich zusammenlebten. Heute stehen wir auf der anderen Seite dieses Loches, wo die Baumfürsten verschwunden und die Blumenfürsten die Herren über alles sind, wo die Goblins und die Zwerge und andere an ihren Tischen dienen und auf einen Kanten Brot hoffen müssen, den sie ihren Familien heimbringen können. Auf der einen Seite gab es ein reiches und allen gemeinsam gehörendes Elfien unter der Herrschaft des Königs und der Königin. Heute, auf der anderen Seite des Loches, kämpfen die Oberhäupter der Blumengeschlechter untereinander um die Kraft, entfesseln riesige Drachen, brennen nicht allein ihre Feinde nieder, sondern alle, die dort leben müssen, wo sie ihren Krieg austragen. Was ist in der

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