Der Blumenkrieg
Ihre Beine funktionierten gerade noch soweit, daß sie hinter ihren Herren hertappen konnten, doch erst als die Türen der schwarzen Kutsche zugeschlagen waren und der pferdegesichtige Chauffeur in der engen Straße umständlich gewendet hatte und in Richtung Autobahn fuhr, begannen die Leibwächter träge zu blinzeln und vor sich hinzumurmeln. Als die lange schwarze Großraumlimousine schließlich den Hafenbezirk hinter sich gelassen hatte, waren sie immerhin wieder der Sprache mächtig, aber auch dann noch konnten die grauen Kolosse sich nicht mehr erinnern, was ihnen während des Wartens im Flur zugestoßen war.
5
Das Buch
A ber hör mal, das Haus bringt dir doch Geld, oder? Damit könntest du dir eine eigene Anlage anschaffen.«
»Ich weiß nicht. Ich glaube, das wär nichts – jedenfalls nicht im Moment.«
»Ich mein’s ernst, Mann. Die haben sich beschissen verhalten. Wenn du willst, schmeiß ich morgen den Bettel hin. Wir würden im Handumdrehen andere Musiker finden. Gitarrenspieler gibt’s wie Sand am Meer. Die Welt ist voll von diesen dürren Typen, die die ganze Schulzeit über in ihrer Bude gesessen und sämtliche Van-Halen-Soli bis zum Erbrechen nachgespielt haben.«
Theo mußte wider Willen grinsen, auch wenn Johnny ihn nicht sehen konnte. »Klar, genau das, was mir fehlt zum Glück. Der nächste Gitarrenwichser, mit dem ich mich zusammentun kann.«
»Dann eben nicht, Mann. Verdammt, wir könnten uns statt dessen auch nen Keyboarder suchen. Wir könnten alles spielen. Du hast früher Sachen geschrieben, die echt cool waren, Theo. Die Texte auch – erinnerst du dich noch an den einen Song von dir, wo dein Vater ein Gewitter ist oder ein Blitz oder so? Du solltest wieder anfangen, solche Sachen zu schreiben – du warst eh zu gut für die Clouds. Du mußt zu deinen Wurzeln zurückfinden, Kumpel. Als ich dich kennenlernte, da dachte ich: ›Mann, der Typ bringt’s echt noch mal weit, an den hängst du dich dran.‹ Der Typ könntest du wieder sein, wenn du wolltest.«
»Was hab ich eigentlich getan, daß plötzlich alle Nachrufe auf mich halten?« Cat hatte etwas Ähnliches gesagt. Gute Anlagen. Wenn man zwanzig ist und die Leute beurteilen einen so, ist das toll, aber wenn man die Dreißig erreicht hat, ist es nur noch peinlich.
»Red doch kein Blech, Mann! Ich sag nichts weiter, als daß du massenweise Talent hast, Thee. Du solltest es nutzen.«
Das Gespräch strengte ihn an. Er hatte sich gefreut, Johnnys Stimme zu hören, und nach den holprigen Entschuldigungen waren sie auch bei halbwegs unverfänglichen Themen gelandet (zum Beispiel was für ein Arschloch Kris Rolle war), aber jetzt war er müde. Er hatte in letzter Zeit nicht viel geredet und war aus der Übung.
»Ich weiß nicht, John-O. Vielleicht. Vielleicht später mal. Im Augenblick ist mir nicht sehr danach, Musik zu machen oder irgendwas in der Art. Spiel du nur weiter bei den Clouds. Kris ist ziemlich begabt, wirklich, auch wenn ich ihn nicht ausstehen kann, den mageren kleinen Saftsack. Vielleicht kriegt ihr doch noch einen Plattenvertrag. Gib das nicht meinetwegen auf.«
»Aber du bist mein Freund, Mann!«
Das schloß ihm den Mund. Es dauerte einen Moment, bevor er weitersprechen und auf seinem Entschluß beharren konnte. »Danke. Wirklich. Du bist auch mein Freund, Johnny, daran darfst du niemals zweifeln. Es ist bloß so, daß ich eine Zeitlang als Freund nicht zu gebrauchen sein werde. Ich … wie soll ich sagen? Ich hab keinen Saft mehr. Meine Batterien sind leer.«
»Und was willst du jetzt machen, wo …? Ich meine, willst du wieder bei Khasigian anfangen?«
»Erst mal nicht. Ich werde das Haus verkaufen, mir ein bißchen Zeit gönnen. Du kennst doch den alten Spruch: ›Mit dem Tod will das Leben einen dazu zwingen, langsamer zu machen.‹ Das gilt natürlich am ehesten, wenn man selber stirbt, aber wie ich mittlerweile weiß, gilt es auch dann, wenn es jemand anders trifft.« Er zögerte, denn er wollte sich nicht zu weit in die Bereiche vorwagen, über die er in letzter Zeit nachdachte. Das waren wirklich nicht die Sachen, die sein Freund hören wollte oder auch nur verstehen würde. »Ich bin einfach noch nicht wieder so weit, unter Menschen zu gehen, Johnny. Gib mir ein bißchen Zeit, irgendwann tauch ich schon wieder auf.«
»Das will ich dir auch geraten haben, sonst komm ich und tret dir in den Arsch.«
Als er aufgelegt hatte, atmete er tief durch, stierte den Stapel Maklerunterlagen auf dem
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