Der Blumenkrieg
es sei denn, es wäre ein Riese, der auf einem Dinosaurier reitet oder so was …«
»Ein Dinosaurier …? Ach ja, natürlich, ich habe von diesen sagenumwobenen Wesen gehört.« Der Goblin stieß ein leises, zischendes Lachen aus. »Du bist sehr geistreich, Theo Vilmos. Nein, das ist es nicht ganz, was ich vorhabe, aber ich denke, es ist besser, du weißt nichts darüber. Schließlich können wir alle in Gefangenschaft geraten, und besonders die Spezialisten im Dienste von Nieswurz verstehen ihr Geschäft hervorragend. Aber du kannst nichts verraten, was du nicht weißt, auch wenn du es noch so gern möchtest.«
»Aber …«
Plötzlich blickte der Goblin auf. Theo drehte sich um und sah Caradenus Primel in der Tür stehen, dem gleichmütigen Gesichtsausdruck nach zu urteilen die Geduld in Person. »Ah, da bist du ja wieder, Kamerad«, sagte Knopf. »Bitte, komm und setz dich zu uns! Ich werde noch eine Kanne Tee kochen.«
Primel nahm im Schneidersitz auf einer Seite des Teppichs Platz. Er nickte Theo nicht unfreundlich zu, doch er schien es nicht eilig zu haben, etwas zu sagen. Sowohl er als auch Knopf saßen einfach nur schweigend da, während das Teewasser auf der Kohlenpfanne heiß wurde. Über sein wichtigstes Anliegen hatte Theo noch gar nicht mit Knopf geredet, jetzt aber fragte er sich, ob sie vielleicht darauf warteten, daß er ging, damit sie sich ungestört besprechen konnten, und er nur mit der Etikette im Elfenland nicht vertraut war.
»Ich … ich hatte noch etwas, das ich mit dir bereden wollte«, sagte er. Jesses noch mal, Mann, Apfelgriebs wird gefangengehalten, weil sie dich mit ihr ködern wollen, und du hörst dich an, als gäbe es im Pausenraum am Arbeitsplatz für deinen Geschmack nicht genug Donuts. »Etwas Wichtiges. Etwas sehr Wichtiges.«
Knopf neigte den Kopf. »Gewiß, Theo Vilmos.«
»Soll ich gehen?« fragte Primel.
»Nein! Nein, im Gegenteil, ich wüßte auch gern, was du von der Sache hältst.« Er nippte seinen inzwischen kalt gewordenen Tee. »Aber ich möchte euch beide nicht aufhalten.«
Primel lächelte beinahe. »Es stimmt, daß ich etwas habe, das ich Knopf gern geben würde, und je eher, um so besser.« Er zog fragend eine Braue hoch. Knopf nickte. »Gut«, meinte Primel. »Es kommt mir furchtbar schwer vor. Nicht das reale, sondern das symbolische Gewicht, und mir war zumute, als wären aller Augen auf mich gerichtet.« Er griff in die Tasche seines langen Mantels.
»Gab es Probleme?«
»Weniger als erwartet, es war ganz merkwürdig. Ich könnte mein eigenes Haus nicht betreten, ohne festgenommen zu werden, aber ich kam ohne weiteres in das Parlamentsmuseum hinein und wurde dabei nicht nur von niemandem erkannt oder zur Rede gestellt, sondern konnte es sogar mit Hilfe des allereinfachsten Anti-Alarm-Zaubers aus der Vitrine nehmen.« Er zog etwas heraus, das in stumpfen Samt oder Fell eingeschlagen war, und hielt es Knopf hin. »Vermutlich liegt es daran, daß der Flügel mit den Exponaten der Goblinkriege derzeit nicht häufig besucht wird. Die Schaukästen waren staubig, der Raum leer.«
Knopf hielt das Bündel in der Hand und hatte es offenbar nicht eilig, es auszupacken. Theo fühlte sein Herz schneller schlagen. War es irgendeine sagenhafte Goblinwaffe? Für ein Schwert oder eine Streitaxt war es nicht groß genug – vielleicht ein heiliger Dolch oder so was wie ein Zaubergewehr, mit dem man Nieswurz aus zehn Kilometern Entfernung erschießen konnte?
Der Goblin schlug die schwarze Hülle zurück.
»Es ist ein Stock«, sagte Theo verdutzt und legte sich gleich die Hand auf den Mund, weil er befürchtete, er habe einen heiligen Goblinschatz geschmäht. Ob Schatz oder nicht, es war definitiv ein Stock, ein schlankes Aststück von knapp fünfzig Zentimeter Länge. Die Rinde war spiralförmig davon abgeschält worden, und auf dem entrindeten Streifen waren Zeichen, die Schrift sein mochten, aber die Theo im Unterschied zur normalen Elfenschrift nicht lesen konnte, in das weiße Holz geritzt und dann zur Hervorhebung mit einem dunklen Stoff eingerieben worden.
»In der Tat«, bestätigte Knopf beinahe heiter. Seine Augen strahlten noch heller als sonst. »Kleine Dinge können von großer Wichtigkeit sein.« Er betrachtete den Gegenstand eine Weile. »Soll ich es jetzt gleich tun? Nein, vielleicht noch nicht. Ich brauche Zuschauer, glaube ich.« Verwirrt sah Theo zu, wie der Goblin den Stock sorgfältig wieder in das Tuch einschlug und ihn in seine Kutte steckte.
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