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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Kadaver des Beseitigers, und trotz vieler Bemühungen ist es mir nicht gelungen, eine weniger gräßliche Gestalt anstelle dieses Körpers anzunehmen, der den Niederschlag von Millionen entsetzlicher Gedanken, Anblicke, Taten in sich trägt. Wenn du meinst, ich hätte schlimme Verbrechen begangen, Theo, dann tröstet es dich vielleicht zu erfahren, daß ich in einer Hölle gefangen bin.
    Als ich mich einigermaßen erholt hatte, wollte ich unbedingt Erephine wiedersehen, ihr zeigen, daß ich allen Hindernissen zum Trotz zurückgekehrt war, und sei es in dieser abscheulichen Gestalt. Ich versuchte, mit ihr Kontakt aufzunehmen, erhielt aber keine Antwort. Ich schickte ihr eine heimliche Botschaft nach der anderen, ohne eine Reaktion von ihr zu bekommen – wenn sie nicht gelegentlich in den sprechenden Spiegeln erwähnt worden wäre, hätte ich befürchtet, daß sie gestorben war. Nach einer Weile kam mir der Gedanke, ihre Familie könnte sie auf irgendeine Weise gegen mich eingenommen haben. In den Jahren meiner Abwesenheit war viel geschehen: Der Blumenkrieg hatte seinen Lauf genommen, die Veilchen waren ausgerottet worden, wie ich es vermutet hatte, und nunmehr herrschten sechs Familien statt sieben über Neu-Erewhon und Elfien – doch für elfische Verhältnisse war dennoch nur eine kurze Zeit vergangen, viel zu kurz, als daß eine Liebe wie die unsere sich einfach hätte in Luft auflösen können. Ich kam zu dem Schluß, daß ich sie zu mir schaffen lassen mußte, um sie dem Einfluß ihrer verfluchten Familie zu entziehen und ihr zu zeigen, daß ich selbst die Gesetze von Zeit und Raum gebrochen hatte, um wieder bei ihr zu sein.
    Die Sache lief nicht wie geplant. Meine gedungenen Helfer brachten sie zu mir, aber sie war seltsam widerstrebend. Die Frau, die ich unendlich geliebt und die mich ebenso wiedergeliebt hatte, benahm sich jetzt, als ob die Zeit, die während meiner Abwesenheit in Elfien verstrichen war, alles verändert hätte – ein Ding der Unmöglichkeit bei einem Volk, das viele Jahrhunderte lebt! Ich konnte mich ihr natürlich nicht direkt zeigen, nicht in der anderen Gestalt, in der ich jetzt steckte, und so hatte ich mich verhüllt und maskiert wie das Phantom der Oper oder sonst ein melodramatischer Blödsinn, und das machte sie trotz aller Beweise, die ich ihr bot, mißtrauisch. Sie verlangte zu wissen, wie ich aussah, meinte, daß ich mich wahrscheinlich deshalb vor ihr verbarg, weil ich gar nicht Eamonn Dowd sei, sondern der berüchtigte Beseitiger, der sie bloß in eine seiner Intrigen verwickeln wolle. Ich hatte sie von meinen Leuten quer durch die Stadt in mein altes Haus in Vormittag bringen lassen, das ich unter einem neuen Namen wieder bezogen hatte. Ich hatte sie damit an unser gemeinsames Glück erinnern wollen, doch es wurde rasch deutlich, daß etwas Entsetzliches geschehen war – daß ihre Eltern sie mit irgendeinem Elfenzauber einer Gehirnwäsche unterzogen hatten und sie sich jetzt einbildete, mich nicht mehr zu lieben. Und das nach allem, was ich durchgemacht hatte! Es war eine schreckliche Nacht. Ich forderte sie auf, zuzugeben, daß ich es war, der da vor ihr stand, daß sie unsere Liebe nicht vergessen hatte, und sie ihrerseits war nicht davon abzubringen, daß ich sie täuschen wollte, und klagte, sie sei müde und verschreckt und wolle nach Hause. Nach Hause! Zu denselben Leuten, die versucht hatten, uns auseinanderzureißen.«
    Mein Gott, dachte Theo, er ist wirklich verrückt. Er kann sich nicht einmal die Möglichkeit eines Sinneswandels vorstellen, ein Ende ihrer Liebe.
    »In meiner Verzweiflung enthüllte ich mich ihr zuletzt. ›Das habe ich für dich getan!‹ schrie ich. ›Das ist die Qual, die ich tagtäglich leide, nur um in deiner Welt zu sein!‹ Aber das hätte ich nicht tun sollen. Sie war für die Wahrheit noch nicht bereit. Sie kreischte wie wild und versuchte zu fliehen, und ich war gezwungen, sie zurückzuhalten, nicht mit körperlicher Gewalt, denn über die Art von Kraft verfügt dieser Körper nicht, aber dafür mit gewissen Zaubern, die ich in der riesigen Bibliothek des Beseitigers gefunden hatte. Ich nehme an, daß ich überstürzt zu Werke ging – vergiß nicht, ich war ebenfalls müde und todunglücklich, und die Wissenschaft des Beseitigers war mir zum großen Teil neu. Ich brachte sie zum Schweigen und machte sie gefügig, aber zu einem furchtbaren Preis.«
    Nach einer langen Weile brach Theo das Schweigen. »Was heißt das?«
    Dowd seufzte.

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