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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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vielleicht osteuropäisch.
    »Ja. Er hat meiner Mutter gehört. Sie hat ihn von ihrem Onkel bekommen, der Dowd hieß.« Er reichte ihr den Brief und das Sparbuch. »Überzeugen Sie sich selbst. Er hatte hier auch ein ganz normales Sparkonto.« Er hielt den Schlüssel hoch. »Die Safenummer ist 612.«
    »Oh.« Sie sagte es, als ob er ihr soeben mitgeteilt hätte, daß der Atomkrieg jeden Moment ausbrechen würde. »Oh, nein.«
    »Wie bitte?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Mr. Root, er ist nicht hier.« Doch sie drehte sich um und ließ ihn eintreten.
    Falls es sich um den Schalterraum einer Bank handelte, dann war dieser der eigenartigste und kleinste, den er je gesehen hatte. Die ganze Räumlichkeit hatte ungefähr die Größe eines viktorianischen Salons und war ähnlich eingerichtet. An den Wänden hingen Bilder von streng blickenden Herren in altertümlichen schwarzen Anzügen, und diese machten in den beengten Verhältnissen beinahe den Eindruck, sich aus ihren ebenso verstaubten wie verschnörkelten Rahmen über etwaige Besucher zu beugen. An der Rückwand blickte man auf vier Uhren mit verschiedenen Zeiten, doch statt der üblichen Finanzzentren wie London und Tokio gaben die Schilder unter den altmodischen Zifferblättern die Namen Glastonbury, Carcassonne, Alexandria und Persepolis an. War das irgendein abgedroschener alter Witz? Die meisten hatte er schon einmal gehört, aber er konnte sich nicht vorstellen, warum es irgend jemanden interessieren sollte, wie spät es an diesen Orten war. Was das übrige Büroinventar anbelangte, so schien kein Stück wesentlich jünger als das Dampfzeitalter zu sein, abgesehen von einem riesigen Fernschreiber, der auf einem eigenen Tisch im hinteren Teil des Raumes stand und aussah, als wäre er zur Zeit des Zweiten Weltkriegs der neueste Stand der Technik gewesen.
    »Haben Sie die Safes noch?«
    Sie nickte eifrig. »O ja. In Hinterzimmer.« Sie deutete auf die Rückwand und die dort befindliche Tür, flankiert von den Porträts zweier düsterer Patriarchen.
    »Und wann ist dieser Mr. Rude wieder da?«
    »Nein, Root – wie Wurzel von Baum, ja? Aber weiß ich nicht.« Ihre Befriedigung darüber, daß sie die Existenz der Safes hatte bestätigen können, war gleich wieder der ängstlichen Unruhe gewichen. »Er kommt nicht sehr oft hierher. Vielleicht Freitag? Vielleicht Montag?«
    Theo schaute sich abermals um. Eine ausgestopfte Krähe stand hinter der Eingangstür in einem Glaskasten. »Und die übrige Zeit sind Sie hier ganz allein?«
    Jetzt nahmen ihre leicht einfältigen Züge einen erschrockenen Ausdruck an. »Nicht allein. Gibt es andere Leute in andere Büros – gleich nebenan ist Pan-Pacific Novelties.«
    »Ich will Ihnen nichts tun, es ist bloß … irgendwie seltsam. Das ist doch eine Bank hier, oder? Ich hab noch nie eine solche Bank gesehen.«
    Sie zuckte die Achseln. »Die meisten Kunden sind sehr alt, ich glaube. Sie kommen nicht her. Früher hier war viel Betrieb, aber ist Jahre her. Jetzt die meisten Bankgeschäfte gehen mit Telefon, mit Fax.« Sie deutete erst auf das Telefon mit der Wählscheibe, dann auf das wuchtige Gerät, das Theo bereits aufgefallen war. »Meistens ich beantworte nur Fragen.«
    »Fragen? Wie zum Beispiel …?«
    Sie wurde rot und wirkte auf einmal viel hübscher. »Wie zum Beispiel, ist Faxgerät an?«
    Er bereute seine Penetranz. Es war nicht ihre Schuld, daß sie für eine Firma arbeitete, die wahrscheinlich eine Tarnadresse für irgendein ausgeklügeltes Geldwäscheverfahren war. »Tut mir leid. Lassen Sie mich einfach an das Ding ran, dann lasse ich Sie wieder in Frieden arbeiten.«
    »An Ding ran?«
    »Ja. Sie sagten doch, daß die da hinten sind, nicht wahr? Die Safes?«
    »Aber Mr. Root ist nicht da.«
    »Ich brauche keinen Kredit oder so was. Da drin ist ein Safe, der ursprünglich dem Onkel meiner Mutter gehört hat. Jetzt gehört er mir. Ich habe den Brief, in dem er sie über die Erbschaft informiert, und ich habe eine Fotokopie des Briefs, in dem sie mich zu ihrem Alleinerben erklärt, und ich habe den Schlüssel zum Safe. So regelt man diese Sachen.« Er schritt auf die Tür in der Rückwand des engen Raums zu. »Da hinten, stimmt’s?«
    Sie hob hilflos die Hände und blickte auf das schwere alte Scheibentelefon wie im Zweifel, ob sie ihren abwesenden Chef anrufen sollte, damit er kam und sie vor diesem Irren rettete, der die Traveler’s Bank tatsächlich als Bank benutzen wollte.
    Oder vielleicht überlegt sie, ob sie

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