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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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das Geld auf die glänzende Tischplatte und wollte gerade das Notizbuch zuklappen und sich auf den Heimweg machen, als der Satz am Schluß eines der unnumerierten Kapitel des Buches ihn förmlich ansprang.
     
    Während ich auf Landurlaub in Indien war, die Taschen voller mit Geld als gewöhnlich, geschah es, daß ich zufällig auf das Buch und die Geheimnisse stieß, die mein Leben für alle Zeit verändern sollten.
     
    Theo hätte gern weitergelesen, doch er hatte schon seit einer Weile den quälenden Verdacht, daß er die Hintertür des Hauses nicht abgeschlossen hatte. Er hatte nicht vorgehabt, so lange weg zu sein. Auf jeden Fall brannte nirgends Licht, denn er war mitten am Nachmittag losgefahren – eine Einladung für Diebe oder Vandalen. Mit Bedauern steckte er das Buch ein und begab sich zu seinem Motorrad auf dem Parkplatz.
     

     
    D er Gedanke, sich mit drei oder vier Bier in den Schlaf zu trinken, erschien ihm nicht mehr so unwiderstehlich wie noch früher am Tag, denn die Geschichte seines Großonkels faszinierte ihn oder interessierte ihn zumindest. Theo pflanzte sich mit einem Kissen im Rücken auf die Couch, so daß er im Schein einer Tischlampe lag, und ließ die übrigen Lichter aus. Zum erstenmal konnte er die Stille des kleinen Hauses genießen.
    Die Handlung, die trotz ihrer pikaresken Begebenheiten bis zu dem Punkt so realistisch gewesen war, daß er das Buch mittlerweile für zweifellos autobiographisch hielt, auch wenn der Autor etwas anderes behauptete, nahm jetzt deutlich eine Wendung zum Absonderlichen. Eamonn Dowd erzählte davon, wie er in einem von Fliegen wimmelnden Basar in Harappa ein berüchtigtes, aber namenlos bleibendes Buch fand, eine Entdeckung, die seiner Aussage nach so glücklich war, »daß man meinen könnte, es sei mehr als Glück im Spiel gewesen«. Um welches Buch es sich auch gehandelt haben mochte, es weckte im Erzähler ein Interesse an nicht näher bezeichneten Orten, die er wie das Buch vom Hörensagen gekannt, aber nie für erreichbar gehalten hatte -»magische Namen«, wie er es ausdrückte, zu denen nur »verschollene Pfade und Straßen« führten, »die dem Gedächtnis der Menschheit zum größten Teil entfallen sind«.
    Je abstruser die Geschichte in dem Notizbuch wurde, um so vager wurden auch die Beschreibungen. Die diffusen Hinweise auf Eamonns neu erwachte Vorliebe für »Experimente« und »Studien« sowie auf sein zunehmendes Interesse an irgendwelchen »Ländern hinter der Schwelle« und »jenseitigen Reichen« begannen sich derart zu häufen, daß die Aufmerksamkeit, mit der Theo die vielen engstehenden Zeilen las, ein wenig erlahmte.
    Er gähnte und blickte von einem Absatz auf, der von der »Pforte, durch die man den Vorraum der Stadt und ihrer Felder betritt«, handelte, und dabei sah er zu seinem Schreck, daß es schon nach Mitternacht war. Trotz der vorsätzlichen Verrätselung der Geschichte hatte er über drei Stunden auf der Couch darin geschmökert. Kein Wunder, daß er müde war.
    Er schaute auf die Seite, wo er aufgehört hatte, und las noch einmal die Beschreibung einer »Stadt jenseits der bekannten Welt, lebendiger als jede Metropole des Westens oder Ostens und auch furchterregender«.
     
    Und jetzt hatte ich endlich den Weg dorthin gefunden oder meinte ihn gefunden zu haben. Bei der nächsten Mondfinsternis wollte ich erproben, ob meine jahrelangen Studien vergebens gewesen waren oder nicht. Entweder mein Herzenswunsch ging in Erfüllung, oder alle meine Hoffnungen wurden zerschlagen …
     
    Draußen ertönte eine Art Winseln. Erschrocken ließ Theo das Buch fallen. Im ersten Moment dachte er, es wäre ein weinendes Kind, doch dann beruhigte er sich mit dem Gedanken, daß es eine Katze auf dem Zaun hinterm Haus sein mußte, irgendein singender Kater aus der Nachbarschaft, der sein Revier verteidigte oder seine Liebe kundtat.
    Was die manchmal für Töne von sich geben – richtig unheimlich …
    Er fand die Stelle im Buch wieder und klemmte eine ungeöffnete Stromrechnung als Lesezeichen zwischen die Seiten, doch das Winseln hielt an und wurde sogar lauter. Theo bekam eine Gänsehaut und hatte das Gefühl, daß seine Nackenhaare sich aufstellten und vibrierten. Er konnte sich nicht erinnern, jemals etwas derart Merkwürdiges gehört zu haben, fürchterlich leidend und doch auch eigentümlich gefaßt, der unheimliche Klagelaut von jemand, der weiß, daß er unrettbar verloren ist. Ihm gruselte, und als er entdeckte, daß die

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