Der Blumenkrieg
mehrstöckigen Prunkgebäude im Hintergrund, das ein wenig wie eine weiß-grau-goldene Hochzeitstorte aussah, um das sogenannte Palais Neuer Hügel handeln mußte, den Sitz des Parlaments. Zu seiner Verwunderung und Zufriedenheit sah er, daß es nicht allein Goblins waren, die sich mit den Einsatzkräften Gefechte lieferten, sondern daß viele verschiedene Elfenarten dort waren, auch solche, die bis auf ihre Flügel nicht viel anders aussahen als Nieswurz und seine Genossen. Sie hatten quer über die Straßen Barrikaden errichtet und Mülltonnen in Brand gesteckt. Steine und andere Gegenstände knallten gegen die Schilde der Schutzleute, doch im Augenblick schien ein Patt eingetreten zu sein.
»Das wird weder ihnen noch uns was nützen«, flüsterte Apfelgriebs Theo ins Ohr. »Die Blumen sind zu stark. Aber toll anzuschauen ist es doch, nicht?«
»Bei Oberons Blut.« Beim Anblick der Szene verzog Nieswurz den Mund, als ob er etwas sehr Saures gegessen hätte. »In unserer Stadt Feuer legen, was? Ich werde dafür sorgen, daß Goblinhausen bis auf die Grundfesten niedergebrannt und der Boden mit Salz bestreut wird. Eine ganze Goblingeneration wird … wird …« Seine Augen wurden schmal. »Was … ist … das?«
Eine Bewegung schnitt durch die Menge der Goblins und ihrer Verbündeten, als ob die Meute ein einzelliges Wesen wäre, das im Begriff stand, sich zu teilen und fortzupflanzen. Eine Lücke riß auf, und Leute warfen sich im letzten Moment aus der Bahn der Reiter, die vor den verdutzten Schutzkräften auf das Pflaster der Bannmeile preschten. Theo lag ein Ruf des Erstaunens auf den Lippen. Diese Reiter hatte er schon einmal gesehen und ihre einhörnigen Reittiere auch.
»Grimbolde!« fauchte Fingerhut. »Wo im Namen der Ältesten Bäume kommen die auf einmal her?«
In ihren phantastischen Fell- und Federkostümen schienen sie nicht allein einer älteren, wilderen Epoche Elfiens entsprungen zu sein, sondern einem Traum, einem ausgewachsenen Albtraum. Lanzen und Luren blitzten, und Flinten mit glockenförmiger Mündung spuckten Feuer, als der heulende Trupp zum Angriff überging. Mit ihren leuchtenden gelben Augen und ihren bemalten Gesichtern, die schauriger als jede Maske waren, sahen die wilden Goblins, fand Theo, ganz und gar unbezähmbar aus, wie ein von einem Hurrikan aufgewirbeltes und vorangepeitschtes Halloweentreiben. Die Schutzleute, die sich ihnen in dicht geschlossenen Schilderreihen entgegenstellten, taten ihr Bestes, um den Hunderten von lanzenschwingenden Reitern und scharfhufigen Einhörnern standzuhalten, aber die Grimbolde waren durch die Wucht ihres Ansturms im Vorteil. Im Nu hatten sie die Sperrkette durchbrochen und trieben die Schutzleute auseinander, durchbohrten Dutzende und zerstampften viele weitere unter den silbernen Hufen ihrer Tiere. Von ihrem Beispiel ermutigt, ja in einen regelrechten Blutrausch versetzt rannte die Meute mit einem laut anschwellenden Geschrei los, bei dem sich Theo selbst vor dem fernen Spiegel die Nackenhaare sträubten, und Elfen und Goblins gleichermaßen warfen sich auf die wankenden Parlamentswächter.
»Wo kommen die Grimbolde her?« ereiferte sich Fingerhut abermals. »Wie hat dieses ganze elende Berggeschmeiß in die Stadt eindringen können?«
Stechapfel hatte eine Hand auf dem Ohr, als lauschte er einem Kopfhörer, obwohl es natürlich gar keinen Kopfhörer gab. »Sie sind nicht nur am Strohblumenplatz«, sagte er. »Ich habe Berichte, daß die ganze Stadt von ihnen wimmelt. Rittersporns Sekretär sagt, sie hätten den Familiensitz in Langschatten umzingelt, wilde Goblins hätten das Wachhaus zerstört und das Gelände in Brand gesteckt.«
»Das kann nicht sein!« rief Fingerhut.
Nieswurz verlor keine Zeit damit, zu bestreiten, was offensichtlich war. Er ging an seinen Schreibtisch und legte die Hand auf die Seite.
»Ich will mit Schlangenwurz bei den Höhlen sprechen«, sagte er. »Richte ihm aus, daß Alarmstufe vier herrscht. Ich brauche alle verfügbaren Tiere.«
»Schwarzes Eisen«, rief Stechapfel überrascht aus, »willst du sie wirklich noch einmal einsetzen?«
»Ja«, entgegnete Nieswurz. »Willst du, daß ich sie auch bei der Stechapfel-Residenz vorbeischicke? Nein? Dann sei still!«
Theo hörte kaum hin, sondern starrte nur mit stiller Freude auf den Bildschirm. Es würde ihm und seinen Freunden nichts nützen, das wußte er, aber es war gut zu sehen, daß irgend jemand sich gegen Nieswurz und seine Bande zur Wehr setzte und daß
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