Der Blumenkrieg
mechanische, die als Nieswurz’ Beobachter der Szene dienten.
Die Drachen flogen die nächste Runde, bestrichen den Platz mit Flammenstößen und töteten alle, die nicht entkommen konnten, Gegner und Hüter der herrschenden Ordnung, Zivilisten und Schutzleute. Ein wildgewordenes Einhorn raste mit brennender Mähne am Brunnen vorbei. Aber Theo erblickte noch etwas anderes, und das war so bemerkenswert, daß selbst Nieswurz sich auf seinem Ledersitz aufrichtete.
»Blut und Eisen«, knurrte der Elfenfürst, »was machen die da?«
Als einzige von allen Lebewesen auf dem Strohblumenplatz liefen die Grimbolde nicht um ihr Leben – oder wenigstens liefen sie nicht sehr weit. Einzelne Grüppchen hatten Stellungen bezogen, wo Gebäude oder Statuen sie vor dem schlimmsten Inferno schützten, und waren jetzt mit flinken Bewegungen dabei, lange Stangen abzuschnallen, die bis dahin an ihren Sätteln gehangen hatten, sie zu beugen und mit Sehnen zu bespannen.
»Bogen?« Nieswurz klang ärgerlich und verwundert zugleich, als ob er das Schauspiel ästhetisch unbefriedigend fände. »Sie wollen die Drachen mit Pfeilen bekämpfen?«
Beim nächsten Anflug der geflügelten Ungeheuer sprangen mehrere Grimbolde hinter ihren Behelfsbarrikaden hervor und legten ihre Bogen an. Ein Feuerschwall erwischte zwei von ihnen und verwandelte sie in schreiende, hüpfende Fackeln, die anderen jedoch ließen ihre Pfeile fliegen, bevor sie wieder in Deckung rannten.
»Sind sie verrückt, diese Hautfresser?« ereiferte sich Nieswurz.
»Sie haben in alten Zeiten Drachen gejagt, Stiefvater.« Das Schreckliche Kind klang amüsiert. »Sie tun, was sie am besten können. Ich glaube, sie benutzen dabei ein sehr starkes Gift.«
Als die Schatten der kreisenden Drachen erneut auf den Platz fielen, sprangen die nächsten zehn oder zwölf Grimbolde aus der Deckung hervor und schossen ihre Pfeile ab. Mit ihren langen, fast affenartigen Armen waren die wilden Goblins hervorragend dafür geeignet, solche hohen, schweren Bogen zu spannen. Die Drachen spien tödliches Feuer und drehten dann ab. Die Grimbolde beschossen sie so lange, bis die großen geflügelten Würmer kehrtmachten und abermals herabstießen.
Wieder und wieder ergossen sich die flüssigen Flammen über den Platz, auf dem jetzt überall Feuer tanzten, selbst dort, wo es gar nichts Brennbares zu geben schien. Wieder und wieder wurden wilde Goblins von den Strahlen erfaßt und getötet, doch andere rannten hinter den Drachen her und schickten ihre Pfeile in die Luft, bevor die riesigen Bestien sich außer Reichweite geschwungen hatten. Zunächst sah das Ganze nach einer sinnlosen goblinschen Geste aus, einem primitiven Beweis der Tapferkeit angesichts des sicheren Todes, doch nach dem sechsten oder siebten Durchgang stiegen nicht alle Drachen wieder in die Höhe: Ein Schatten kam immer näher, bis die Finsternis den gesamten Platz bedeckte. Die Goblins blickten unter gegenseitigem Zurufen und Fingerzeigen nach oben, ehe sie in Deckung flohen: Das Ungeheuer stürzte ab.
Der Drache schlug so hart am Boden auf, daß eines der Häuser am Platz in sich zusammenstürzte und zu dem schwarzen Blut und den Klumpen geschmolzenen Pflasters, die durch die Wucht des Aufpralls emporspritzten, noch eine große Staubwolke hinzukam. Andere Häuserfassaden wackelten, und die wenigen noch heilen Fenster zersprangen. Stille senkte sich über den ganzen Platz, und die einzige Bewegung war das wilde Zucken der Flammen. Das Ungeheuer lag tot in einem Krater inmitten eines Spinnennetzes aus Rissen, und aus einem großen Auge ragte ein ganzer Strauß von Pfeilen und weitere aus seinem langen Hals, während sein langer Schwanz sich über die schwelenden Stufen des Palais Neuer Hügel erstreckte wie das gerissene Kabel einer Hängebrücke.
»Das kann nicht sein«, sagte Nieswurz. Theo hätte nie gedacht, daß er den Elfenfürsten einmal derart fassungslos erleben würde. Er sah beinahe menschlich aus. »Das kann nicht sein.«
»Aber es ist so, Stiefvater«, meldete sich das Kind. »Sieh hin, und deine Augen werden dich von der Wahrheit überzeugen. Die Goblins haben eine deiner großen Eidechsen getötet. Zweifelst du daran, daß sie es fertigbringen werden, die anderen beiden auch zu töten? Wenn sie für jede ein paar Dutzend der Ihren opfern müssen, werden sie das als guten Tausch empfinden. Und kannst du dir vorstellen, was mit der Nieswurz-Residenz geschehen wird, wenn der Mob erkennt, daß die adeligen Familien
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