Der Blumenkrieg
Frühjahr kommt und ich den Drang verspüre, in Teichen und Seen zu baden. Ich war dir etwas schuldig, Theo. Schließlich hätte ich dich um ein Haar getötet.«
»Du warst mir gar nichts schuldig. Ich glaube vielmehr, daß ich dir zur Zeit etwas schulde, und zwar einen Bericht.« Die Erinnerung nagte an ihm, seit Primel aufgetaucht war. Bei dem Gedanken an Eamonn Dowds Verbrechen war ihm ein wenig mulmig zumute, aber er hatte nicht das Recht, sie geheimzuhalten. Er tastete nach Poppis Hand, fand sie und drückte noch einmal. Sie legte ihre andere Hand auf seine Brust und spreizte die Finger, während er sich wieder Caradenus Primel zuwandte. »Ich muß dir etwas darüber erzählen, was mit deiner Schwester geschehen ist.«
»Aber wie kannst du das wissen?« fragte Primel und legte erstaunt die Stirn in Falten.
»Wie kann ich was wissen?«
»Daß sie tot ist. Ihr Herz hat aufgehört zu schlagen.« Da konnte nicht einmal der Blumenfürst verbergen, was in ihm vorging, doch er hatte sich gleich wieder in der Gewalt. »Es ist wohl am besten so. Es geschah, kurz bevor wir uns gegen Nieswurz erhoben, bevor die Drachen die Stadt angriffen. Ihre Krankenschwestern sagen, daß sie einen Moment lang wieder sie selbst war, aber vor Angst derart außer sich, daß sie nicht zu beruhigen war. Dann starb sie. Ich habe sie gesehen. Sie sah aus, als ob sie zuletzt doch Frieden gefunden hätte.«
Theo schluckte. »Ich will dir erzählen, was ich weiß. Und da Wuschel in der Phase die meiste Zeit über bewußtlos war, ist mir wahrscheinlich einiges zu Ohren gekommen, was sonst keiner von euch weiß.«
E s war schwer zu sagen, ob ein ohnehin schon bitterer Elf tatsächlich noch bitterer geworden war, aber bei Primel schien das der Fall zu sein. Als Theo seine Erklärung beendete, erhob sich der neue Herr des Hauses Primel und verbeugte sich.
»Ich ehre dich noch einmal für deine Tapferkeit und deine Ehrlichkeit. Diese Mitteilung macht mir das Herz nicht eben leicht, muß ich gestehen. Meine Schwester hat lange und furchtbar gelitten und muß selbst am Ende noch gelitten haben, als Dowds Bann durch seinen Tod gebrochen wurde und ihr verwundeter Geist in den Körper zurückkehrte. Aber ich denke, es ist besser, Bescheid zu wissen, als ahnungslos zu bleiben. Trotzdem, sobald ich die wichtigsten Meldungen an Knopf weitergegeben habe, wäre ich gern eine Zeitlang allein.«
»Es trifft mich sehr, was er deiner Familie angetan hat, auch wenn er nicht mein richtiger Großonkel war.« Theo schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn gemocht, wenigstens so, wie er in seinem Notizbuch erschien. Kaum zu fassen, daß das ein und dieselbe Person gewesen sein soll.«
»Wir begeben uns auf gefährliches Terrain, wenn wir meinen, weil wir das Beste wollen oder weil wir eigentlich eher ein gutes Herz haben, dürften wir auch etwas tun, von dem wir wissen, daß es Unrecht ist.« Der Elf blieb in der Zeltklappe stehen. »Ach, was ich noch sagen wollte, Theo, Knopf möchte sehr gern, daß du ihn heute abend im Brückenhaus besuchst.« Primel hob mit ernstem Gesicht die Hand und verließ das Zelt.
»Ich sollte auch gehen«, sagte Wuschel. »Im Augenblick bin ich so ziemlich der einzige Querz hier, den einige der tonangebenden Leute persönlich kennen, und derzeit werden in kleinen Gruppen und spontan einberufenen Sitzungen Entscheidungen gefällt, die eines Tages Gesetz sein werden, womöglich sogar der Gegenstand wissenschaftlicher Werke. Du würdest es sehr interessant finden, Theo – wobei du selbst in diesen Büchern einige Seiten einnehmen wirst, nebenbei gesagt. Wir sind dabei, von Grund auf ein neues Elfien zu erbauen.«
»Sobald ich mich aufsetzen kann, ohne gleich zu kübeln, würde ich gern mehr darüber hören. Ich weiß allerdings nicht, wie ich mich auf politischen Sitzungen machen würde.«
»Es ist auch deine Zukunft, die da geplant wird.« Plötzlich wurde Wuschel rot. »Oh, das hätte ich fast vergessen. Du wirst ja in deine Welt zurückkehren.«
»Wenn sie noch da ist, werde ich das wohl«, meinte Theo. »Haben wir das Schreckliche Kind noch rechtzeitig aufhalten können?«
Wuschel lächelte. »Wir glauben, ja. Die wissenschaftlichen Tests, die wir durchführen konnten, haben ergeben, daß deine Welt im wesentlichen wie gewohnt weitermacht, nicht besser und nicht schlechter.«
Theo bemerkte, daß Poppi plötzlich seine Hand losgelassen hatte und starr auf die Zeltwand blickte. »Poppi?«
Wuschel räusperte sich. »Wie gesagt,
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