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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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schüttelte ihn. »Du meinst wohl, du kannst dich über mich lustig machen, was?« Der kleine Kerl gab keinen Laut von sich, aber Martha Moosphlox fühlte das Knistern eines bevorstehenden Donnerwetters in der Luft. Sie zog das Päckchen unter der Kasse hervor, schüttelte die Stoffhülle ab und ließ die Kuckuck in ihre Kitteltasche gleiten. »Das reicht jetzt …!« rief sie, wieder zu Stechapfel und dem Goblin gewandt.
    »Aha!« Der Ruf des Blumenjunkers war triumphierend. Während seine Freunde herantraten, vielleicht um das drohende Unheil zu verhindern, bückte sich der Jüngling und hob etwas auf, das klappernd zu Füßen des Goblins auf den Boden gefallen war. Stechapfel hielt es hoch, und ein gelbgrüner Schimmer fiel auf seine Faust. »Was ist das? Was ist das?«
    »Es ist nichts«, antwortete der Goblin, wobei er am Handgelenk des jungen Mannes zerrte und vergeblich versuchte, es wiederzubekommen. »Es ist nur ein Licht, das mir im Dunkeln nach Hause leuchten soll – ein Spuklicht.«
    »Laß ihn in Frieden!« sagte Martha, aber so leise, daß sie sich selbst kaum hörte.
    »Hmmm, ich würde sagen, das sieht nach einer Waffe aus.« Stechapfel wandte sich an seine Freunde und die übrigen Gäste. »Seid ihr nicht auch der Meinung? Hat der Rat Goblins und anderen Nichtbürgern, die Waffen besitzen, nicht ausdrücklich Strafe angedroht?« Während er den zappelnden Knopf auf Armeslänge von sich hielt, drehte er sich um und rief einem seiner Gefährten zu: »Geh die Schutzleute holen! Ich denke, es wird sie interessieren …« Plötzlich schrie er auf und schüttelte den Arm, um sich von dem Männlein loszumachen, das er eben noch festgehalten hatte. »Verfluchter Dreckskerl! Der kleine Hautfresser hat mich gebissen! Er hat mich gebissen! Ich bringe ihn um!« Blitzschnell hatte Stechapfel mit der anderen Hand ein Messer gezückt, dünn, aber gefährlich lang.
    Martha riß die Pistole aus der Kitteltasche. Sie wollte eigentlich nur entschlossen damit herumfuchteln, damit keiner sich mehr von der Stelle rührte, vielleicht, wenn nötig, an die Decke feuern, doch als sie sich umdrehte, kam ein langer, hagerer Fremder in zerlumpten Kleidern durch die Schankstube getaumelt, Augen und Mund vor Schreck oder Schmerz weit aufgerissen. Sie ließ verwirrt die Pistole sinken. Stöhnend lief der Mann geradewegs auf den Goblin und Orian Stechapfel zu, die Hände an die Ohren gepreßt, als ob ihn jemand mit dem allerschlimmsten Kopfwehfluch belegt hätte. Der Fürstensohn ließ den Goblin los und taxierte diese bizarre neue Bedrohung mit einem Feixen, das verriet, daß er sie nicht allzu hoch veranschlagte.
    »Ein Goblinfreund, hä?« Stechapfel hob sein langes Messer.
    »Halt!« schrie die Erscheinung ihn an. »Laß ihn in Ruhe! Seid alle still! Verschwindet aus meinem Kopf!« Seine Stimme schwoll zu einem Kreischen an, und auf einmal gab es einen Donnerknall, alles wurde gleißend weiß und gleich darauf nachtschwarz.
    Kopflos vor Schreck dachte Martha im ersten Moment, sie hätte versehentlich den Abzug ihrer Pistole gedrückt, doch selbst eine automatische Kuckuck machte nicht so einen Knall, und nachdem das Echo zu einem schmerzhaften Klirren in den Ohren abgeklungen war, lag sie geblendet auf den Knien und grapschte wie von Sinnen am Boden herum, ohne zu wissen, wonach. Leute schrien. Viele Leute.
    »Wer hat das Licht ausgemacht, verdammt!« Jemand packte ihr Bein. »Wer ist das?«
    »Wacholder? Ist das Licht aus? Heißt das, ich bin nicht blind?«
    »Die verdammte Kraft ist ausgefallen.«
    »Dem Hain sei Dank. Ich dachte, ich hätte das Augenlicht verloren.«
    Wenig später kam die Kraft wieder. Überraschenderweise war fast niemand gegangen. Orian Stechapfel mit Sicherheit nicht. Er lag mit aufgerissener Kehle neben dem Tisch auf dem Rücken, umgeben von einer sehr großen Pfütze aus Blut und Bier. Die Hand, die das Spuklicht des Goblins gehalten hatte, gab es nicht mehr: Der Arm endete jetzt als verkohlter Stumpf am Handgelenk.
    Der Leichnam sah recht verwundert drein.
    »Übel«, sagte Martha zu Wacholder. »Das ist ganz, ganz übel.«
    Der Goblin und der Hagere waren natürlich verschwunden.
     
    D ie üble Entwicklung der Dinge ließ sich langsam an, aber Martha Moosphlox hatte keinen Zweifel, daß sie sich recht bald beschleunigen würde. Der Sohn des Ratsvorsitzenden war in ihrer Wirtschaft ermordet worden, auch wenn keiner so recht verstand, wie das zugegangen war. Daß sie vollkommen unschuldig war und daß

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