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Der Blumenkrieg

Der Blumenkrieg

Titel: Der Blumenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der junge Idiot sich sein Schicksal selbst zuzuschreiben hatte, würde beides wenig zählen, wenn die Mühlen der Justiz erst einmal zu mahlen anfingen. Doch der ermittelnde Schutzmann, der sie verhörte, wirkte nicht übermäßig rachsüchtig, und so gestattete sie sich ein Fünkchen Hoffnung. Als Martha ihm erzählte, woran sie sich noch von dem Goblin erinnerte, verzog er den Mund zu einem säuerlichen Lächeln.
    »Aber du weißt seinen Namen, falls er nicht gelogen hat«, sagte sie. »Und es heißt doch immer, Goblins lügen nie.«
    »Alle lügen«, knurrte der Schutzmann. »Da können sie von Goblins sagen, was sie wollen. Aber ist auch egal.« Er erklärte ihr, daß es in der Stadt etwa zwanzig- bis dreißigtausend Mitglieder der Knopfsippe gab und daß wenigstens die Hälfte davon an irgendeinem Punkt in ihrem Leben einmal »Dreck« genannt worden war. Genausogut könne man sagen, jemand heiße »He, du«.
    Die Schutzleute nahmen Aussagen von sämtlichen Beschäftigten und Gästen zu Protokoll, bevor sie gingen und Martha und der alte Wacholder endlich aufräumen und saubermachen durften. Erst Stunden, nachdem die Leiche des jungen Stechapfel abgeholt worden war, fiel ihr auf, daß trotz des wahrscheinlich ziemlich dringenden Bedürfnisses, im Schutz der Dunkelheit zu fliehen, der Goblin nicht nur die Zeit gefunden hatte, Orian Stechapfel zu erledigen. Er hatte auch daran gedacht, das Ragout und die Flasche Bier mitzunehmen, die er sich verdient hatte.

 
12
Das Stockrosenkästchen
     
     
    A ls ihm ganz allmählich das Bewußtsein wiederkehrte, konnte sich Theo zunächst nur an einen grotesken Traum erinnern, in dem er ein Sack Kartoffeln gewesen war. Genauer gesagt, ein Sack nasser Kartoffeln, der zudem recht grob behandelt wurde.
    Er hielt die Augen geschlossen und überlegte, wo er sein konnte. Das Bett war groß und weich, er war also nicht in der Hütte. Andererseits lebte er nicht mehr zusammen mit Cat und ihrer Manie, Steppdecken über Steppdecken zu packen, es sei denn, die Trennung wäre auch nur ein Traum gewesen, genau wie die grausige Kartoffelsackphantasie …
    Moment mal. Er war ein nasser Kartoffelsack gewesen, der von einem zweibeinigen Elefanten getragen wurde. Und dann war eine Hummel um seinen Kopf geflogen und hatte mit so einem komischen summigen Stimmchen auf ihn eingeredet. Das alles bedeutete …
    Gar nichts. Nur daß es offensichtlich ein echt verrückter Traum gewesen war.
    Moment mal! Summen. Fliegen. Elfe. Elfenland. Apfelgriebs!
    Schlagartig kam Theo das ganze irrwitzige Abenteuer wieder in den Sinn, und er klappte die Augen auf. Eine riesige weiße Tagesdecke war über seine Beine gebreitet worden, und dahinter befand sich das Fußbrett eines großen Holzbettes. Soweit in Ordnung. Doch hinter dem Fußbrett saß eine unförmige graue Erscheinung von der Größe eines Industriekühlschranks.
    Theo stieß einen Schreckenslaut aus und zog sich mit einem Ruck die Tagesdecke über den Kopf. Eine Stimme, die klang, als ob jemand einen Schachtdeckel über ein Kopfsteinpflaster zog, dröhnte: »Hoi, Teddy! Sag dem Boß, er ist wach!«
    Es war tröstlich, nichts sehen zu können, weil die mächtige graue Erscheinung, auf die sein Auge gefallen war, kurz bevor er die schnelle Entscheidung getroffen hatte, sich die Decke über den Kopf zu ziehen und zu beten, sie möge verschwinden, ein höchst unerfreulicher Anblick gewesen war.
    »Du kannst rauskommen, Rotbäckchen.« Die Stimme war so tief und rauh, daß ihm allein von dem Klang schon die Nieren schmerzten. »Ich bin Vegetarier.«
    »Nein, du bist unmöglich«, entgegnete Theo, aber ohne große innere Überzeugung.
    Das Ungetüm lachte. »Witziges Rotbäckchen. Komm raus. Der Boß wird dich gleich besuchen kommen. Vielleicht willst du ja noch irgendwelche Säfte lassen oder was euresgleichen nach dem Aufwachen sonst so macht.«
    Wenn ich einen Blick darauf werfe, heißt das noch nicht, daß ich daran glaube, versicherte sich Theo. Ganz langsam zog er die Tagesdecke nach unten, bis seine Augen knapp über den Rand lugen konnten. Nachdem er das Wagnis eingegangen war, gab er sich alle Mühe, nicht vor Angst zu kreischen: Die Erscheinung am Bett verlieh dem alten Spielplatzschimpfwort »Arschgesicht« eine völlig neue Prägnanz.
    Wird das von jetzt an immer so weitergehen? Eine grauenhafte Scheußlichkeit nach der anderen? Ich halt’s nicht aus.
    Die höckerige, runzlige Haut des Ungetüms war vorwiegend grau, aber nicht einheitlich grau,

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