Der Blumenkrieg
den Koffer abnehmen, Chef?« fragte das Wesen Rufinus. Die Arme, die durch das Wagenfenster langten, endeten nicht in Hufen, sondern in Händen, die in Handschuhen steckten, allerdings waren die Finger dick und spachtelförmig. »Ich tu ihn in den Kofferraum.«
»Sehr liebenswürdig, Heider«, sagte der junge Elf mit herrschaftlicher Herablassung. »Nur diesen einen, bitte. Den kleineren behalte ich bei mir.«
Als die sonderbare grünliche Kreatur Richtung Kofferraum verschwunden war, atmete Theo tief durch. »Was … was ist denn das für einer?«
»Einer, der viel zu laut ist«, knurrte Apfelgriebs von der Kopfstütze herab, während Heider den Koffer hinten verstaute. Die Fee hatte anscheinend immer noch mit den Nachwirkungen ihrer Unmäßigkeit zu kämpfen.
Rufinus beugte sich zu Theo hinüber. »Natürlich, du bist ja fremd hier. Heider ist ein Doonie. Sie sind ausgesprochen trinkfreudig, die Doonies – gegorene Stutenmilch ist ihr Lieblingsgetränk –, aber äußerst treu. Und sie sind natürlich ausgezeichnete Fahrer.«
»Ausgezeichnet …? Er hat keine Augen!«
»Ach, aber er riecht außerordentlich gut.«
»Ich hab schon was Besseres gerochen.« Apfelgriebs lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. »Ooh, alle Bäume noch eins, tut mir der Kopf weh.«
»Ach, du liebes Lieschen«, murmelte Theo still vor sich hin, als der augenlose Chauffeur auf dem Fahrersitz Platz nahm und mit kiesspritzenden Reifen die kreisrunde Auffahrt hinunterschoß.
E rstaunlicherweise erwies sich Heider in der Tat als sehr guter Fahrer; recht bald schon mußte Theo einräumen, daß Sehvermögen im Chauffeursgewerbe offenbar eine überschätzte Fähigkeit darstellte. Ob es nun an seinem guten Geruchssinn oder einer anderen Theo unbegreiflichen Begabung lag, er hielt sich jedenfalls auf den Landstraßen immer haargenau in der Mitte, bog ab, ohne daß jemand »He, paß auf, wo du hinfährst!« schrie, und bremste rechtzeitig ab, um Prozessionen kleiner Tiere, von denen Theo die meisten nicht kannte, über die Straße zu lassen.
Apfelgriebs, die von der Kopfstütze heruntergerutscht und über den Sitz gekrochen war, um einen stabileren Platz zu finden, wo sie ihre Kopfschmerzen ausschlafen konnte, rollte sich auf Rufinus’ Mantel zusammen. Der junge Elfenedle hatte sein Köfferchen geöffnet, das einen Laptop oder etwas Entsprechendes zu enthalten schien, auch wenn es wie ein flacher Kasten voll Quecksilber aussah, das strudelte und sich kräuselte, aber aus irgendeinem Grund nicht über den Rand schwappte. Rainfarns Halbneffe beobachtete dieses glitzernde Gewaber höchst interessiert, wobei er leise vor sich hinredete und sogar lachte und die Finger darüber bewegte.
»Ich lese meine Post«, erklärte er, als er Theos verblüfften Blick sah.
Nachdem der Himmel die ganze Zeit nur damit gedroht hatte, öffnete er jetzt endlich die Schleusen. Die ersten Regentropfen platschten wie überreife dicke Beeren auf die Windschutzscheibe, und Heider mußte die Scheibenwischer in Betrieb nehmen. Falls dieses Märchenland in irgendeiner Hinsicht schöner war als andere Länder, so verstand es das mit grauem Licht und peitschendem Regen trefflich zu verbergen.
Unter anderen Umständen hätte Theo sich vielleicht gefragt, warum ein blinder Fahrer Scheibenwischer benötigte, doch im Augenblick verwandte er seine ganze Energie darauf, sich richtig schön elend zu fühlen.
Es war nicht allein Heimweh, was er empfand, obwohl ihm auch das zu schaffen machte, und auch nicht allein Angst, die ebenfalls reichlich vorhanden war. Püppchens Bemerkung über seine Flachheit lag ihm schwer im Magen. Hatte sie recht? Selbst Apfelgriebs war seiner so überdrüssig, daß sie gar nicht daran dachte, den Besuch bei ihren Eltern abzukürzen und ihm weiter Gesellschaft zu leisten.
Soll ich vielleicht den Helden spielen oder den Diplomaten oder was? Ich habe nicht darum gebeten, hierherzukommen. Ich habe nicht darum gebeten, daß mir das alles passiert. Bin ich etwa ein mieser Hund, bloß weil ich den Verstand habe, das hier als grauenhaft zu bezeichnen, statt so zu tun, als wäre es eine wunderbare Märchenreise?
Cats bleiches Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf. Noch im Krankenhausbett hatte sie mit zäher Entschlossenheit an der Legende von Theo dem Nichtsnutz weitergestrickt: »Es ist immer dasselbe. Du bist dreißig, aber du benimmst dich wie ein Jugendlicher … Nichts, was du anfängst, bringst du jemals zu Ende. Es stört dich
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