Der Blutengel
öffnen.«
»Danke.«
Die Schwester schaute Iris misstrauisch an. »Sind Sie sicher, das Sie es allein schaffen? Oder soll ich Ihnen nicht doch lieber helfen?«
»Nein, nein, das schaffe ich allein.«
»Wie Sie wünschen. Wenn Sie Hilfe benötigen, dann brauchen Sie nur zu schellen.«
»Danke, ich werde es mir merken.«
Iris ärgerte sich über ihre »Krankheit«. Sie hasste es, so schwach zu sein. Sie fluchte innerlich darüber. Sie war auch nicht krank, sie war einfach nur schwach und...
Wieder musste sie eine Pause einlegen. Und das, obwohl sie sich festhielt. Den Kopf hatte sie zurückgedrückt, und sie atmete tief ein. Dabei hatte sie das Gefühl, ihre Brust würde zerspringen, denn von allen Seiten spürte sie den Druck.
Trotzdem ging es weiter. Sie durfte sich auf keinen Fall hängen lassen. Sie musste es schaffen, und sie war froh, als es ihr endlich gelang, die Tür zur Toilette aufzuziehen.
Das Licht brannte. Der kleine Vorraum war hell erleuchtet. Weiße Fliesen bedeckten die Wände. Zwischen ihnen stand die Luft, als wäre sie aus Watte. Außerdem war sie feucht. Zwei Wasserbecken lagen sich gegenüber. Die Spiegel darüber waren beschlagen. Um den Raum mit den Toiletten zu erreichen, musste Iris eine Schwingtür aufstoßen.
Wieder schlich sie mit ihren flachen Schlappen über die Fliesen hinweg. Sie hörte das Schwappen der Tür, die allerdings nicht schnell wieder zufiel.
Drei Toilettenräume gab es. Keine der Kabinen war besetzt. Ein Fenster gab es ebenfalls. Man hatte es gekippt, sodass zumindest etwas frische Luft eindrang.
Iris entschied sich für die erste Kabine. Sie zog die Tür auf und war froh, sich auf die Toilette setzen zu können.
In den folgenden Minute ging alles glatt, aber Iris merkte jetzt sehr stark, dass sie sich überschätzt hatte. Die Schwäche war noch vorhanden und sogar stärker als im Bett.
Wenn sie nach vorn gegen die Tür schaute, wurde es ihr wieder schwindelig. Die Tür blieb zwar fest im Rahmen, doch Iris kam es vor, als würde sie sich bewegen.
Sie flüsterte etwas vor sich hin, und sie merkte zudem, dass die Angst wieder zunahm. Das sorgte auch für ein gewisses Herzklopfen. Es war so stark, dass die Echos in ihren Ohren einen lauten Widerhall fanden.
Sie schwitzte. Es gab keine trockene Stelle mehr an ihrem Körper. Plötzlich kam ihr die Kabine vor wie eine Zelle, aus der sie kaum noch herausfand. Das Gefühl der Bedrohung schlich sich wieder in sie hinein. Die Angst war wie eine Zange, die zubiss. Zwar war sie allein, doch es kam ihr nicht so vor.
Irgendwo lauerte jemand...
Sie stand auf und hielt sich fest. Zwei kleine Schritte, dann öffnete sie die Tür.
Der erste Blick in den Vorraum.
Niemand war da, der auf sie gewartet hätte. Trotzdem glaubte sie daran, nicht allein zu sein. Die Warnung hinterließ ein Kribbeln auf ihrer Haut. Iris traute sich kaum, die Kabine zu verlassen, aber sie musste es tun.
Der Raum war und blieb leer. Sie hätte durchatmen können, was sie nicht tat, denn das Gefühl der Gefahr war bei ihr geblieben. Da musste es etwas geben, auch wenn sie es nicht sah.
Iris schlich nach links. Sie kam sich vor wie die beiden Frauen in ihrem Zimmer. Alt und schwach und dabei von einer unheimlichen Macht verfolgt.
Der Weg in den Vorraum war kurz. Trotzdem kam er ihr so schrecklich weit vor. Sie bekam Probleme mit der Tür und wäre fast eingeklemmt worden, als sie die Schwelle überschritt.
Jetzt nur noch bis zum Ausgang, dann war alles okay.
Iris King fixierte die Tür. Sie durfte sie auf keinen Fall verpassen. Sie streckte den Arm aus, als sich ihr Gesicht verzerrte.
Es gab die Tür nicht mehr.
Wo sie einmal gewesen war, da malte sich eine große und rote Fläche ab. Blutig. Ja, wie kurz vor ihrem Zusammenbruch. Sie sah auch das Feuer an den Seiten tanzen, und aus der Blutfläche der Tür löste sich die nackte Gestalt mit den beiden Flügeln...
***
Ich wusste, dass Ärzte immer stark beschäftigt waren und hatte Dr. Kellerman sicherheitshalber angerufen, um ihn vorzuwarnen. Ich hörte einen Menschen, der erfreut war, mich bald sehen zu können, und der mir sagte, dass er nur auf eine Begegnung gewartet habe, weil er schon durch seinen Clubfreund Sir James informiert worden war.
Er würde sich Zeit nehmen, das hatte er mir versprochen. Ich war recht gut durchgekommen. Der Londoner Verkehr hatte mich nicht aufhalten können, und so stellte ich meinen Rover auf dem Parkplatz der Klinik ab, um die letzten Schritte bis zum
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