Der Blutfluch: Roman (German Edition)
hergehen. Der Platz für alle zusammen ist knapp bemessen, und die Vorräte in den Kellern sind nicht eben üppig. Trossknechte und Reisige werden sich herumtreiben, darunter auch Kerle, die ein Bauernmädchen nicht lange um Erlaubnis fragen, ehe sie es auf den nächsten Strohhaufen zerren.«
Der Ritter vom Festplatz in Würzburg!
Der Blickwechsel mit ihm nach dem erzwungenen Tanz. Seine Augen. Wildkatzengelb. Golden. Beunruhigend.
Da sie heute ein Kopftuch und einen Kittel von unauffälliger Farbe trug, nicht das Flittergewand der Tänzerinnen, blieb das Erkennen einseitig. Dennoch schlug ihr Herz wie eine Trommel. Ausgerechnet ihm in Donaustauf zu begegnen – war dies ein Wink des Schicksals?
»Tu nicht so verschreckt, ich reiß keinem Mädchen den Kopf ab.« Gutmütig ließ er sie endlich los. »Es bleibt unter uns, dass du die Brombeeren des Bischofs frühstückst. Gott behüte dich, Jungfer. Vergiss nicht, meinen Rat zu beherzigen.«
Mit einem Sprung saß er wieder im Sattel. Kraft und Geschmeidigkeit kennzeichneten seine Bewegungen. Er riss das Ross auf den Hinterhufen herum, drehte sich noch einmal nach ihr um und legte die Rechte in Höhe des Herzens grüßend aufs Wams.
Mit einem solchen Gruß hatte sie nicht gerechnet.
Aliza sah den Reiter aus großen Augen an, grün und kristallklar.
Erstaunen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Sie nutzte den Augenblick seiner Verblüffung, duckte sich unter den Büschen hindurch und tauchte in das Ufergestrüpp ab. Weder Pferd noch Hund folgten ihr. Sie rannte, bis sie das Blut in den Ohren rauschen hörte.
»Bist du den Reitern begegnet?«
Tibo vertrat Aliza so unverhofft den Weg, dass sie ihm nicht ausweichen konnte. Es gefiel ihm, dass sie sich dabei weh tat. Ihr Aufkeuchen entlockte ihm ein Knurren. Nur sein Griff um ihren Oberarm verhinderte, dass sie in den Schlamm stürzte.
»Jäger«, rief sie außer Atem. »Der Bischof von Regensburg ist in der Burg eingetroffen. Man erwartet für heute auch die Ankunft des Kaisers.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich … ich hab es gehört, als sie vorbeigeritten sind … Sie sind wohl knapp an Vorräten und sind deswegen zur Vogeljagd aufgebrochen.«
Tibo imitierte zweimal den Ruf einer Wasseramsel und befahl damit die Jungen aus den Uferverstecken. In ihren flachen Körben zappelten kleine Zander und Huchen, sogar einen ausgewachsenen Hecht entdeckte Aliza. Der Morgen war für die Männer erfolgreich gewesen.
»Zurück zum Lager«, befahl er knapp.
Sie verschluckte die Widerworte. Leena würde mit ihrer Ernte nicht zufrieden sein. Verstohlen rieb sie sich die schmerzende Hüfte und folgte den anderen.
Sizma stieg eben mit wiegendem Schritt aus dem bunten Wagen, als sie ankamen. Ihre halb offene Bluse steckte so nachlässig im Rockbund, dass das Schwanken ihrer Brüste sogar die Halbwüchsigen hinter Tibo zum Gaffen brachte. Tal, Milosh und die anderen Männer hatten die Jagdhörner ebenfalls vernommen. Sie umdrängten den Stammesführer und zogen sich auf der Stelle zur Beratung zurück. Wohl oder übel musste sich Sizma von Aliza über die Ereignisse in den Donauauen berichten lassen.
»Was war los am Fluss? Was planen die Männer? Werden wir weiterziehen?«
»Wärst du mit mir aufgestanden, wüsstest du es.«
Aliza konnte wieder einmal der Versuchung nicht widerstehen, Sizma zu reizen. So war es oft. Heute kam ihr jedoch zum ersten Mal der Gedanke, dass sie als die Ältere eigentlich klüger sein müsste. Es war auch ihre Schuld, dass sie wie Hund und Katz miteinander umgingen.
Ehe Sizma wie gewohnt aufbrausen konnte, berichtete Aliza. »Offensichtlich kreuzen wir auf diesem Donauufer den Weg des Kaisers nach Regensburg. Die Jäger sind im Auftrag des Bischofs unterwegs. Er ist nach Donaustauf gekommen, um den Kaiser zu empfangen. Vermutlich will er ihn persönlich in die Stadt geleiten.«
»Der Kaiser.« Die Augen glitzernd vor Aufregung, tanzte Sizma ein paar Schritte auf zerdrücktem Gras. »Vielleicht haben wir in Regensburg Gelegenheit, vor dem Kaiser aufzutreten. In Würzburg haben sie erzählt, er würde Goldstücke in die Menge werfen, wenn ihm eine Darbietung besonders gut gefällt.«
»Du träumst, Sizma. Dem Kaiser wird sicher Unterhaltsameres geboten als unser Tanz«, versuchte Aliza freundlich Sizmas Erwartungen zu dämpfen. Erfolglos.
»Für deinen gilt das sicher. Du stolperst dabei durch die Gegend wie ein Tanzbär an der Kette«, bekam Aliza nur zu hören.
»Wenn du dich
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