Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
Vom Netzwerk:
Lanzenstoß genügte, einen Helden zum Opfer zu machen.
    Der Ritter, der eben vom Pferd gestoßen worden war, lag, einem Eisenkäfer gleich, hilflos auf dem Rücken. Um ihn herum die zersplitterten Reste der eigenen Lanze und des Schildes, dessen Gurte unter der Wucht des Aufpralls gerissen waren. Sein Streitross tänzelte aufgeregt über die Bahn. Ein Reitknecht, der nach seinen Zügeln zu greifen versuchte, wich immer wieder vor dem schnaubenden Tier zurück.
    »Müssen sie sich gegenseitig wirklich so schwer verletzen?«, fragte Beatrix.
    »Die Lanzen haben doch ohnehin schon angesägte Schäfte, damit nicht jeder Treffer zum Tod führt«, antwortete der Prälat. »Das Kräftemessen dient nicht nur der Übung, es soll auch zeigen, dass die Ritter fähig sind, das Volk mit Waffengewalt gegen den Feind zu schützen. Die Menge liebt Schauspiele wie dieses. Dem Kaiser geben sie die Möglichkeit, die Besten auszuwählen. Wie Ihr wisst, ist ein Feldzug geplant.«
    Auf der Wiese, die inzwischen mehr einem Sturzacker glich, schrie der Verletzte vor Schmerzen, während die Helfer ihn an Armen und Beinen packten und auf ein Brett zerrten. Eingesperrt in seine Rüstung, deren Scharniere sich beim Sturz verklemmt hatten, musste er es hilflos ertragen.
    Beatrix sah ihm voller Mitgefühl nach. Nachdem man ihm alle Rüstungsteile abgenommen hatte – manchmal war dafür sogar die Hilfe eines Schmieds nötig –, stand ihm weitere Pein bevor. Dass die Menschen am Rand des Turnierfeldes dem Pechvogel auch noch höhnische Kommentare nachschrien, widerte sie an.
    Das Blut in der Erde versickern zu sehen war etwas anderes, als Geschichten von Ritterehre und Tapferkeit zu hören. Dass auf dem Turnierfeld mutige Männer vor Schmerzen brüllten, machte alle Romantik zunichte. Es kostete Beatrix Überwindung, huldvoll zu lächeln, als der Sieger des Lanzenstechens sich vor der Tribüne zeigte, um das Lob des Kaisers einzuholen und das der Damen, die mit geröteten Wangen und funkelnden Augen erregt ihre Begeisterung zeigten. Sie trugen ihre Festgewänder und hatten sich mit allen Edelsteinen geschmückt, die ihre Schmuckschatullen hergaben.
    Turniere wie dieses waren ebenso Heiratsmärkte. Regensburg bot die letzte Möglichkeit dieses Jahres, unter den nahezu vollständig versammelten Rittern und Adelstöchtern Verbindungen zu knüpfen. Eine solche Gelegenheit ließ sich kein Vater einer ledigen Tochter entgehen. Die unverheirateten Jungfrauen gaben sich sittsam und züchtig, aber ihre Blicke folgten unter gesenkten Lidern den Siegern und mieden die Verlierer.
    Beatrix versuchte sich abzulenken, indem sie den Blick ab und zu auf die Standarten richtete. Windböen zausten die Stoffe. In allen Stickfarben glänzten Wappen und Machtsymbole. Der Löwe von Burgund befand sich nicht darunter. Es würde die Aufgabe ihres zweitgeborenen Sohnes sein, für Burgund zu kämpfen. Aber noch hatte Friedrich nicht einmal einen Erben für sein Kaiserreich. Immer noch glaubte er, sie schonen zu müssen.
    Der Kaiser thronte wie üblich auf einem erhöhten Stuhl neben ihr. In ein angeregtes Gespräch mit dem Herzog von Sachsen und Bayern vertieft, entging ihm ihre Unruhe.
    Das Gefolge des Löwen war in einer Hundertschaft angetreten. Wie groß musste seine Streitmacht sein, wenn man bedachte, dass er in Sachsen und den neuen bayrischen Gebieten genügend Männer zurückgelassen haben musste, um dort Frieden und Sicherheit zu gewährleisten?
    Beatrix ließ jetzt die Augen zu Clementia schweifen, die in den letzten Tagen offensichtlich begriffen hatte, wie wenig sie Vertraulichkeit schätzte, wenn sie so offensichtlich aufgedrängt wurde. Eben neigte sie sich interessiert dem Turnierfeld zu, wo mit Fanfarenschall der nächste Gang des Lanzenstechens angekündigt wurde. Einer der Reiter trug das Zähringer Wappen auf dem Schild, das andere zeigte einen schreitenden Löwen.
    »Kennt Ihr die Ritter, die gerade gegeneinander antreten?«, erkundigte sie sich beim Fürstbischof.
    »Zähringer Gefolgsleute, Majestät. Einer aus der Verwandtschaft des Herrn Berthold und der andere – wenn ich mich nicht täusche – der junge Uracher. Einer von jenen, die bei einem Turnier nicht nur Ruhm ernten wollen, sondern auch auf die Gewinne angewiesen sind. Der Sieger erhält immerhin Ross, Rüstung und Waffen des Gegners. Die kleinen Burgherren aus dem Südwesten bedürfen solcher Gewinne.«
    Alizas Beschützer. Galt Clementias Interesse ihm oder dem Zähringer

Weitere Kostenlose Bücher