Der Blutfluch: Roman (German Edition)
Intrigenspiel mitspielen zu müssen. Ich weiß nicht, ob ich es noch lange ertragen kann.«
»Ertrage es nur bis zum Ende des Hoftages. Dann kann deine Sippe Donaustauf verlassen und ihrer Wege ziehen. Du hast mein Wort darauf.«
»Überschätzt Ihr Euch da nicht?«, zweifelte Aliza. »Ich sehe und höre, was geschieht. Wir alle sind wie die Spielsteine auf dem Brett. Wir sind im Spiel, solange gewürfelt wird.«
»Richtig«, griff Rupert ihren Vergleich auf. »Doch wir nehmen deine Sippe aus dem Spiel. Wenn sie alle erst einmal fort sind, wird niemand ihretwegen Krach schlagen.«
»Wie soll das gehen? Niemals wird Berthold seine Zustimmung dafür geben und …« Sie unterbrach sich. »Ihr wollt es ohne seine Kenntnis machen?«
»Wie auch immer. Seit Donaustauf wirst du keinem von uns mehr Glauben schenken, doch ich versichere dir, ich werde den Fehler von Donaustauf wiedergutmachen.«
»Könnt Ihr Tote zum Leben erwecken?«
»Nein. Aber ich will und kann verhindern, dass weiterhin Unrecht geschieht, dass das Blut Unschuldiger vergossen wird. Und ich werde handeln.«
»Ich will es Euch ja gerne glauben«, gab sie nach. »Und ich will Euch immer dankbar sein, wenn es Euch gelingt, den Meinen ihre Freiheit zurückzugeben.«
»Ich werde nicht scheitern. Zeitgleich mit dem Aufbruch des Kaisers werde ich nach Donaustauf eilen und alles Nötige veranlassen.«
Zwischen Hoffnung, Freude und Besorgnis schwankend, begriff Aliza, was das für sie bedeutete.
»Dann werde ich meine Familie niemals wiedersehen.«
»Aber du weißt sie in Sicherheit. Auch willst du bestimmt die Königin nicht ihretwegen verlassen? Dein Leben hat sich zum Guten gewendet.«
Aliza war anderer Meinung. »Ich habe nur meine Sippe auf dieser Welt. Ich gehöre zu ihr.«
»Hast du wirklich solche Sehnsucht nach diesem ärmlichen Dasein und deiner zänkischen Schwester?«
Sizma! Wie hatte sie sie vergessen können.
»Wo ist sie? Immer noch bei Eurem Gefährten? Treiben sie es etwa miteinander? Wenn das so ist, muss sie bei ihm bleiben, sagt ihr das. Unsere Großmutter wird ihr ansehen, dass sie gehurt hat. Sizma ist damit zu einer Unreinen geworden. Eine Unreine wird von allen gemieden. Man lädt sie nicht mehr zu gemeinsamen Festen ein und verweigert ihr jede Achtung. Sie ist eine Ausgestoßene. Nicht einmal der Ärmste von uns nähme sie noch zum Weib.«
»Deine Schwester hat ihren eigenen Kopf und muss allein entscheiden, wohin sie sich wendet. Sie weiß nichts von meinem Plan und darf auch auf keinen Fall davon erfahren. Ich traue ihr nicht über den Weg. Auch du musst für dich behalten, worüber wir gesprochen haben«, antwortete er.
»Ich würde Euch nie verraten. Um keinen Preis.«
»Ich weiß.«
Das schnelle Einvernehmen ließ sie beide verstummen. Es war genug gesagt worden.
Aliza verspürte das Bedürfnis, ein Gebet zu sprechen. Sie ging wortlos zum Altar.
Als Rupert an ihrer Seite niederkniete, fühlte sie sich ihm nicht nur nahe, sondern verbunden.
Königin Beatrix
Kreuzhof bei Regensburg, 18. September 1156
D ie Reisewagen haben gepolsterte Bänke, ein stabiles Dach und Fenster. Das Geschehen am Wegrand bleibt immer im Blick. Allerdings ist das nur von Vorteil, wenn der Wagen im vorderen Teil eines Reisezuges fährt. Je weiter hinten man steckt, desto mehr Staub schluckt man.«
Beatrix rümpfte die Nase bei dem Gedanken.
»Die Stellmacher des Kaisers sind sich nicht einig darüber«, fuhr sie fort, »ob Wagen mit großen Rädern besser sind als die mit kleinen. Die einen sind bequemer, aber kippen leicht. Die anderen rumpeln dafür zum Gotteserbarmen von Schlagloch zu Schlagloch. Meines Erachtens ist das Reiten die angenehmste Art zu reisen. Zwar spürt man auch da am Ende des Tages jeden Knochen, aber die Müdigkeit lässt einen den unbequemsten Schlafplatz vergessen. Wenn du dagegen den ganzen Tag im Reisewagen durchgerüttelt wirst, kommt es dir vor, als würde auch dein Bett noch geschüttelt. Wenn wir aufbrechen, solltest du reiten, Aliza.«
Sie redete zu viel, Beatrix bemerkte es selbst. Einer ihrer größten Fehler. Die Äbtissin hatte sie deshalb stets gerügt und ihr Exerzitien verordnet. Aber es bereitete Beatrix auch Vergnügen, das vertraute Französisch zu gebrauchen und Alizas Reaktionen auf ihre Schilderungen zu beobachten.
Auch jetzt schaute sie drein, als habe sie von ihr verlangt, die Donau mit einem Sieb leer zu schöpfen.
»Ich – reiten?«, fragte sie fassungslos. »Wie sollte ich denn auf ein
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