Der Blutfluch: Roman (German Edition)
auf das beste versorgt, und der Burgvogt harrt in Urach deiner Befehle.«
Dass Berthold ihm die Schuld an allem in die Schuhe schob, überraschte Rupert nur wenig. Schon als Knappe war ihm die Rolle des Sündenbocks mit schöner Häufigkeit zugefallen. So wurde sein Herr auch heute damit fertig, dass Barbarossa ihn in seinem Einfluss, seiner Stellung und seinem Rang beschnitt. Wollte er bei Berthold weiter im Ansehen stehen, musste er das auch künftig auf sich nehmen. Aber wollte er das?
Unentschieden schwieg er.
»Berichte mir, was es Neues gibt«, forderte Berthold ungeduldig. »Ist Clementia endlich wieder in der Hoffnung?«
Dass Ruperts Schweigen keine endgültige Versöhnung bedeutete, kam ihm gar nicht in den Sinn. Er überhäufte ihn mit Fragen, bis sie das Steinhaus betraten, das der Pfalzgraf von Villa Lutra den Zähringern zugestanden hatte. Mit prächtig geschnitzten Türstöcken, Holzdecken und weiß geschlämmten Wänden waren die Kammern besser ausgestattet als die Herrengemächer auf Burg Zähringen.
Ob Berthold trotzdem merkte, dass man ihm die Unterkunft eines geringeren Ministerialen zugewiesen hatte? Der Herzog von Sachsen und Bayern, die Prälaten der Kirche und die anderen Kurfürsten waren zwar ebenfalls in solchen Burgmannenhäusern untergebracht, wie man sie in Villa Lutra nannte, die aber standen näher am Palas und waren wesentlich größer.
In der Halle verursachte Ruperts Ankunft freundschaftlichen Aufruhr. Sein Blick traf auf Wolf, der in großer Runde saß. Rupert nickte auf die stumme Frage nach Aliza.
Ja, sie ist in Sicherheit und wird es hoffentlich auch bleiben. Kein Grund zur Sorge.
Da sich Kuno unter den Männern befand, ließ sich ein knapper Gruß nicht vermeiden. In seinen Augen funkelte Schadenfreude. Was führte er im Schilde?
»Sieh an, der verlorene Sohn krabbelt unter den sächsischen Weiberröcken hervor«, spottete Kuno mit schwerer Zunge.
Ruperts Faust schoss ohne Warnung vor, und Kuno krachte taumelnd auf die Bank zurück, von der er sich eben erst halb erhoben hatte. Fluchend versuchte er es noch einmal. Wolf drückte ihn auf seinen Platz zurück.
»In meiner Gegenwart beleidigt niemand die Herzogin.«
Rupert stemmte die Handflächen auf den Tisch, suchte den Blick des Vohburgers und sah mit Vergnügen, dass ihm Blut aus der Nase rann.
»Geh zum Teufel, Urach«, blaffte Kuno und legte den Kopf in den Nacken, um sich nicht mit Blut zu beschmutzen.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen«, antwortete Rupert trocken.
Aliza
Villa Lutra, 5. Januar 1157
I ch bin froh, dass du wieder hier bist, Aliza. Steh auf. Wer sagt, dass du vor mir knien sollst?«
Von der Liebenswürdigkeit der Königin immer wieder überwältigt, machte ihr herzlicher Empfang Aliza verlegen. Was sollte sie antworten?
»Du bist also wieder gesund. Ich muss Hildburg wohl glauben, auch wenn du aussiehst, als hättest du alle Fastentage des Jahres hintereinander eingehalten. Lass uns überlegen, welchen Platz wir dir in meinem Hofstaat einräumen können, ohne dass du dabei den Falschen auffällst.«
»Ich bin mir keineswegs sicher, ob ich Euch wirklich zu Diensten sein kann. Ich …«
Alizas Stimme klang rauh und gepresst. Beatrix unterbrach sie.
»Nichts da. Man hat mich genau unterrichtet. Nach allem, was du erlebt hast, wirst du Zurückgezogenheit schätzen. Ich habe dir Platz machen lassen in meiner Kleiderkammer. Solange die Pfalz voller Gäste zum Dreikönigsfest ist, müssen alle zusammenrücken, und niemand wird sich darüber wundern, dass du dort schläfst.«
Alizas Unruhe legte sich ein wenig. Beatrix erwartete offensichtlich keine ausführlichen Erklärungen.
»Du musst aufhören zu grübeln.« Freundschaftlich fasste sie nach Alizas Händen und drückte sie heftig. »So weh es tut, du musst lernen zu vergessen. Stell dich dem Leben wieder.«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann«, flüsterte Aliza.
Du darfst es auch nicht. Erst wenn Sizma gefunden ist, kannst du an dich denken.
»Ich lasse nicht zu, dass du dich sinnlos dem Kummer ergibst.« Es klang befehlend. »Du trägst keine Schuld, also musst du dir auch keine Vorwürfe machen.«
»Das stimmt nicht. Ich bin an allem schuld.«
Aliza konnte es nicht länger für sich behalten. Die Königin hatte verdient, es zu erfahren – zu ihrem Schutz musste sie es ihr sagen.
»Ich bin verflucht. Verflucht vom Tag meiner Geburt an. Meiner leiblichen Mutter habe ich den Tod gebracht, meiner Pflegemutter und allen anderen, die
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