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Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Der Blutfluch: Roman (German Edition)

Titel: Der Blutfluch: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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mir Familie und Heimat waren. Ich kann nicht bei Euch bleiben. Vielleicht bin ich auch für Euch eine Gefahr.«
    »Schscht … ruhig. Ich sehe, das Erlebte verfolgt und verwirrt dich.«
    »Ich bin nicht verrückt, falls Ihr das meint«, rief Aliza leidenschaftlich. »Auf mir lastet ein Blutfluch von Geburt an! Er bringt Unglück für alle, die mir nahestehen. Ich beweise es Euch. Seht her!«
    Mit fliegenden Fingern machte sie den Nacken frei.
    »Seht! Seht Ihr das Blutmal? Glaubt Ihr mir jetzt?«
    »Um Himmels willen, Aliza, fasst Euch!«
    »Welch ein Aufruhr. Worum geht es?«
    Der Kaiser.
    Beatrix fasste sich blitzschnell und trat ihm lächelnd entgegen.
    »Mein Herr Friedrich«, vernahm Aliza ihre Begrüßung. Sie glich einer Liebeserklärung, so viel Wärme hatte Beatrix in die Stimme gelegt.
    »Seit wann erlaubst du dir gegenüber einen solchen Ton, Beatrix?«, antwortete er eine Spur zu gönnerhaft. »Du solltest das Mädchen zurechtweisen. Es vergisst, dass es der Königin dient.«
    »Meine Kammermagd hat sich keine Ungehörigkeit zuschulden kommen lassen, Friedrich.« Wie immer in kritischen Situationen blieb Beatrix die Ruhe selbst. »In deinen Ohren klingt mein Französisch vielleicht heftiger, als es gemeint ist. Das Mädchen wollte mir lediglich zeigen, wie man auf eine bestimmte Art die Haare flicht, und hat dabei die Stimme erhoben. Im Eifer, nicht im Streit.«
    Da Alizas loses Haar die Geschichte bestätigte, musste er ihr glauben. Die Augen des Kaisers lagen jedoch unbeirrbar streng auf ihr.
    Sie presste die Lippen so heftig aufeinander, dass sich ihr Kiefer verkrampfte. Noch während sie sich fragte, wie es weitergehen sollte, spürte sie schwer die Hand des Kaisers auf ihrem Scheitel. Er packte eine Strähne ihres Haars und ließ es langsam durch die Finger gleiten – prüfend, als frage er sich, ob es den Preis rechtfertige, den er dafür zu zahlen bereit war. Aus den Augenwinkeln gewahrte sie, dass Beatrix die Szene verfolgte.
    »Prachtvoll«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Gesponnene Seide in der Farbe eines Sonnenunterganges und dazu Augen wie Smaragde. Achte darauf, dass sie nie in Reichweite meines Vetters Heinrich gerät. Frauen wie sie sind Gift für die Ruhe eines Mannes.«
    Instinktiv dachte Aliza, wenn sie das Ihre dazu täte – vielleicht ein kühner Blick, ein vielsagendes Lächeln –, auch er wäre einer Tändelei sicher nicht abgeneigt.
    »Ich gedenke nicht, deinen Herrn Vetter in meinen Räumen zu empfangen, wenn Aliza mir das Haar flicht«, scherzte Beatrix indessen etwas hölzern. »Ansonsten wäre es vielleicht gut, wenn sich Heinrich daran erinnerte, dass er verheiratet ist. Die zehn Gebote untersagen nicht nur Unzucht, sondern auch Ehebruch. Seine Frau auf solche Weise zu kränken, gehört sich nicht.«
    Der Kaiser gab Alizas Haar so unverhofft frei, als könne er sich daran verbrennen. Beatrix hatte zu ihrer Bewunderung souverän reagiert.
    Erleichtert atmete sie auf. Die eindeutige Beachtung des Kaisers war ihr unangenehm, auch gegenüber der Königin. Sie wollte ihr in keinem Fall weh tun.
    »Eigentlich will ich nicht über Heinrichs Seitensprünge mit dir reden, Beatrix. Die muss er schon gegenüber seiner Frau rechtfertigen. Willst du deine Frauengeschäfte auf später verschieben und mich in mein Arbeitskabinett begleiten? Es sind Botschaften aus Burgund von deiner Verwandtschaft eingetroffen, die dich sicher interessieren.«
    Noch lange nachdem sich die Tür hinter dem Herrscherpaar geschlossen hatte, blieb Aliza nachdenklich.
    Stimmen im Nebenraum ließen sie schließlich aufhorchen. Weder wollte sie den Ehrendamen noch den Kammerfrauen der Königin begegnen. Sie zog sich in die Garderobenkammer zurück.
    Als sie ihr Haar wieder geordnet und ihre wenigen Habseligkeiten in einer kleinen Truhe neben der schmalen Pritsche untergebracht hatte, wurde sie von Kopfschmerzen geplagt. Die Luft des fensterlosen Raumes war abgestanden und mit Kräuteraromen gesättigt. Getrocknet lagen sie in Bündeln und Säckchen zwischen den Gewändern und Mänteln und sorgten dafür, dass sich weder Motten noch anderes Ungeziefer breitmachten. Jeder Atemzug verstärkte das Hämmern hinter Alizas Schläfen.
    Auf der Suche nach einer Möglichkeit zu lüften, entdeckte sie eine schmale Pforte. Der Ausgang führte auf einen überdachten Absatz ins Freie hinaus. Von dort senkte sich eine steile Gesindetreppe nach unten. Erleichtert griff sie nach ihrem Umhang und wagte zum ersten Male auf eigene

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