Der Blutfluch: Roman (German Edition)
etwas nahezubringen, das musste Beatrix eingestehen.
»Seid Ihr sicher, dass der Kaiser dazu zu bringen ist, das so zu sehen, und dass er die Geduld aufbringen würde, sich solcher Aufgabe zu widmen?«, fragte sie vorsichtig. »Die Heilige Schrift und die Taten der alten Kaiser sind seine Richtschnur. Er schätzt Schlichtheit und Bescheidenheit. Sowohl an der Tafel wie in der Kleidung und dem Vergnügen meidet er jeden Überfluss. Hofhaltung, wie sie Euch vorschwebt, ist vielleicht Überfluss in seinen Augen?«
»Ihr werdet klug genug sein, das Angemessene zu bewirken, ohne deswegen zu übertreiben, Majestät. Friedrich ist Euch sehr ergeben. Wie Ihr seine Umgebung wohnlich gemacht und mit Wärme gefüllt habt, werdet Ihr auch Musik, Kunst und Poesie am Hof heimisch machen.«
Die Anerkennung des Kanzlers war Beatrix angenehm, wenngleich sie sich selbstkritisch sagte, dass er ihr schmeichelte.
Die Frage schoss ihr durch den Kopf, ob Aliza sich wohl ebenfalls geschmeichelt gefühlt hatte, gestern, als Friedrich ihr Haar bewundert und mit Komplimenten bedacht hatte. Er schien Frauen mit dieser Haarfarbe zu schätzen. Sie erinnerte sich plötzlich auch daran, wie er in Donaustauf den Kopf nach der Frau auf dem Söller verdreht hatte. Die unbekannte Buhle des Bischofs. Wenn sogar ein Mann der Kirche vor solcher Versuchung nicht gefeit war …
Der Kanzler nutzte die Gesprächspause, um sich dem Essen zu widmen, das mit seltenen Gewürzen wie Safran, Pfeffer, Ingwer und Galgant dem Dreikönigstag besondere Ehre antat.
Beatrix hingegen nahm weniger als sonst von den vielfältigen Köstlichkeiten zu sich.
Als das Fest sich dem Ende zuneigte und sie sich zurückziehen konnte, fand sie keinen Schlaf. Friedrich war bei den Zechern geblieben.
Sich ruhelos von einer Seite zur andern wälzend, lauschte Beatrix auf die Geräusche der Pfalz. Gerne hätte sie die tröstende Anwesenheit eines Menschen in ihrer Nähe gespürt. Nein, nicht die irgendeines Menschen. Sie wollte Friedrich an ihrer Seite haben. Aber Friedrich würde heute nicht kommen.
Sie litt in dieser Nacht ärger als je zuvor darunter, dass sie seine knapp bemessene Zeit mit so vielen anderen teilen musste. Zäh zogen die Stunden dahin, so dass sie bei Tagesanbruch unausgeschlafen und gereizt die Decken zurückwarf, um zur Morgenmesse zu gehen.
Von ihrer Kammerfrau und zwei Ehrendamen begleitet, gesellte sie sich zu den Betenden vor dem Altar des heiligen Nikolaus. Durch die vier schmalen Bogenfenster der Apsis fiel grau und spärlich das erste Licht.
Immer wieder schweiften ihre Gedanken vom Gebet ab, und als der Beichtvater des Kaisers ihr den Morgensegen spendete, musste sie an sich halten, um nicht erleichtert aufzuatmen. Vielleicht bewirkte ja frische Luft, was Ruhe und Gebet nicht geschafft hatten.
»Ich möchte ein paar Schritte im Freien tun«, erklärte sie ihren Begleiterinnen und ging zum Ausgang voraus.
Auf den Eichenstufen der Freitreppe schimmerte Feuchtigkeit. Die Steinplatten des Hofes waren glatt und forderten Vorsicht, doch Beatrix eilte ihren Begleiterinnen leichtfüßig voraus auf die brusthohe Mauer zu, die die Residenz des Kaisers auf der Flussseite absicherte.
Der Frieden des Morgens duldete weder Trübsinn noch Kleinmut. Beatrix atmete in tiefen Zügen und spürte, wie sich ihre Anspannung langsam löste.
»Pack dich fort, Schlampe! Was hast du hier zu suchen?«
»Ruft die Wachen!«
Die Aufgeforderte dachte nicht daran, Beatrix’ Frauen zu gehorchen. Sie entzog sich ihren Befehlen und Händen, kam unverfroren näher. Beatrix wandte sich ob des Lärms unwillig zu ihnen um.
»Ich bitte Euch, meine Damen, bewahrt Ruhe. Was soll der Aufruhr? Wozu brauchen wir die Wachen? Wegen dieser Jungfer? Das ist lächerlich.«
»Das ist keine ehrbare Jungfer, Majestät. Sie trägt den gelben Streifen am Kittel. Huren müssen sich bei den Kriegsknechten und in der vorderen Burg aufhalten.«
Beatrix revidierte bei näherem Hinsehen gleichfalls ihr Urteil.
Ein Stofffetzen, früher einmal gelb, flatterte am Ärmel der Frau. Braun und schmutzig war die fadenscheinige Kleidung, die von einem Strick um die Hüfte gerafft wurde. Mit nackten Füßen stand sie auf den nassen Steinen. Fluchtbereit, aber angriffslustig.
»Ihr seid die Königin?«
»Was ist daran so unglaublich?«
»Dass Ihr so früh schon unterwegs seid. Ihr habt doch ein Bett, aus dem Euch keiner vertreiben kann.«
»Welche Unverschämtheit! Wie sprichst du mit der Königin?
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