Der Blutkelch
stand ein Gebäude in Flammen. Schwarz und unheimlich stiegen die Rauchschwaden auf, überall züngelten rot und gelb die Flammen empor.
»Die Bibliothek!«, brüllte Cumscrad und gab seinem Pferd die Sporen. »Die Bibliothek brennt!«
KAPITEL 15
Eadulf hatte alle Mühe, sich auf dem Pferd zu halten, so schnell stürmten sie dem Inferno entgegen. Fear Maighe war eine Ansiedlung von beachtlicher Größe, deren Häuser zu beiden Seiten des Flusses standen. Am südlichen Ufer ragte auf einer Erhebung, die man ihrer geringen Höhe wegen eigentlich nicht als Berg bezeichnen konnte, Cumscrads Burg empor; sie wirkte bei weitem nicht so beeindruckend und bedrohlich wie An Dún, die Burg von Lady Eithne. Nicht weit von ihr wütete die Feuersbrunst und drohte, ein großes Gebäude zu verschlingen, das am Rand des Ortes stand. Es war ein rechteckiger Bau aus Stein und Holz, fast in der Art eines Klosters, an dessen einem Ende ein Turm stand. Von ihm schien das Feuer auszugehen. Um ihn herum züngelten riesige Flammen, und auch aus seinem Inneren schossen sie wie aus einem Schornstein in die Höhe. Sie fraßen bereits an den Außenmauern des Hauptgebäudes.
Der Trupp galoppierte die Anhöhe hinab. Im Vorbeijagen bemerkte Eadulf ein reiterloses Pferd, neben dem ein Toter mit einem Pfeil im Rücken lag. Doch die Situation verbot, ihn sich genauer anzusehen. Ihr Ziel war das Städtchen. Man hatte den Eindruck, die gesamte Bevölkerung, Männer wie Frauen und auch Kinder, hatten sich versammelt, um der Flammen Herr zu werden. Junge Männer rannten durcheine Tür im Hauptgebäude hin und her, schleppten armeweis Schriftrollen, Manuskripte, Bücher und Buchtaschen ins Freie. Ab und an stolperte auch jemand mit einer Metallkiste heraus, einer
lebor-chomet
, in der man besonders wertvolle Bücher unter Verschluss hielt.
Die Leute waren derart eifrig damit beschäftigt, die Bücher zu bergen, dass sie gar nicht merkten, wie ihnen einzelne Schriften aus den Armen glitten und auf die Erde fielen. So blieb es nicht aus, dass auf wertvollen Büchern herumgetrampelt wurde oder dass sie im Schmutz versanken, denn andere Helfer hatten – im Fluss stehend – Ketten gebildet, um Kübel voll Wasser weiterzureichen, das sie dann ohne große Wirkung in die Flammen schütteten. Eadulf entdeckte neben der Menschenkette eine Reihe von Holztrögen, durch die mit Hilfe eines Pumpwerks Wasser aus dem Fluss geleitet wurde. Es ergoss sich in ein Sammelbecken, aus dem die Helfer ebenfalls ihre Eimer füllten.
Als sie an der Unglücksstelle ankamen, wurde Fidelma und Eadulf bald klar, dass die Mühen der Leute vergeblich waren, sie würden nichts gegen die Flammen ausrichten können. Cumscrad und seine Krieger waren von den Pferden gesprungen und mischten sich unter die Helfer, aber auch sie konnten nichts bewirken. Dann gab es einen Höllenlärm, Funken und Flammen stoben in den Spätnachmittagshimmel, und das Hauptdach stürzte ein. Nur wenige Augenblicke später sank auch der Turm in sich zusammen. Wie gesättigt erstarb das Feuer und ließ nur verkohlte und schwelende Balken zurück. Der Einsturz hatte das Feuer erstickt, all das Löschwasser hatte wenig geholfen. Nur ein paar Mauern und ein großer grauer Steinbogen, jetzt rauchgeschwärzt, waren von der Bibliothek übrig geblieben.
Fidelma wies auf eine Gruppe, bei der Cumscrad stand.Alle starrten auf einen Körper in versengter Kleidung, den man offenbar aus dem Gebäude gezerrt hatte. »Da scheint jemand verletzt zu sein«, sagte sie, und beide saßen ab.
»Kann ich helfen?«, fragte Eadulf, nachdem sie sich der Gruppe genähert hatten. »Ich habe einige Kenntnis in der Heilkunst.«
»Dafür dürfte es zu spät sein, Bruder Eadulf«, erwiderte Cumscrad bitter. »Dubhagan ist tot.«
»Dubhagan? Ist das nicht dein Bibliothekar?«, fragte Fidelma hastig.
Antwort erhielt sie von einem jungen Mann mit von Ruß verschmiertem Gesicht. »Wir konnten ihn nicht retten, wir kamen zu spät.« Er schaute benommen auf den Toten, als könne er das Unglück selbst noch nicht fassen.
Cumscrad sah ihn mitfühlend an. »Wie ist er in das Feuer geraten, Cunán?«
»Er starb durch ein Schwert, noch ehe das Feuer ausbrach.«
In Cumscrads Gesicht arbeitete es. Fidelma berührte ihn am Arm und versuchte ihn zu beschwichtigen.
»Ich möchte dem jungen Mann ein paar Fragen stellen.«
»Es ist Cunán, mein jüngster Sohn«, erklärte ihr Cumscrad. »Dubhagan war sein Lehrer, er wollte ihn zu seinem Assistenten
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