Der Blutkelch
gesatteltem Pferd. Gormán war ein Krieger der Nasc Niadh, des Ordens mit dem Goldenen Halsreif, der Elitetruppe des Königs von Muman. Zudem war er der Sohn von Fidelmas Freundin Della, einer früheren
be taide
, einer Prostituierten, die in der Siedlung am Fuße des Felsens von Cashel lebte. Der Palast der Eóghanacht-Herrscher thronte hoch oben auf dem Felsen. Fidelma hatte seinerzeit beide, Della und Gormán, erfolgreich verteidigt, als man sie wegen Mordes beschuldigt hatte. Gormán war später einer der vertrauenswürdigsten Krieger von Cashel geworden; gemeinsam hatten sie schon manches Abenteuer überstanden.
»Wohin treibt es dich denn?«, fragte Eadulf, nachdem sie sich begrüßt hatten.
»Nach Lios Mór, wie euch auch«, erwiderte Gormán fröhlich und wandte sich Fidelma zu. »Der König, dein Bruder, Lady, hat mich angewiesen, euch zu begleiten und euch zu Diensten zu stehen.«
Im ersten Moment war sie verärgert, man sah es ihr an. Dann aber verwarf sie den Gedanken, der ihr gekommen war, denn Gormán war nie aufdringlich gewesen und hatte sich oft als große Hilfe erwiesen.
»Na dann, wir haben einen weiten Weg vor uns, und ich würde gern vor Einbruch der Dunkelheit in Lios Mór sein.«
»Nehmen wir den direkten Weg und folgen der alten Heerstraße, die quer durch die Berge führt?«, fragte der Krieger.
»Ich wäre dafür«, bestätigte Fidelma.
Eadulf bemerkte, dass man sein Pferd gegen einen gescheckten Rotschimmel ausgetauscht hatte, ein kleines gedrungenes Tier mit dichter Mähne und prächtigem Schweif. Es war kräftig und muskulös, gut proportioniert, und seine Kopfhaltung hatte etwas Erhabenes. Die Rasse galt als sanftmütig und gutwillig, so viel wusste Eadulf. Als sie aufsaßen, tauchte plötzlich Colgú in Begleitung von Caol auf, dem Hauptmann der Leibwache, um ihnen alles Gute für die bevorstehende Aufgabe zu wünschen.
Seine Stimme klang warmherzig, aber ernst, als er mit seiner Schwester sprach. »Denk dran, es geht um eine schwerwiegende Sache. Bruder Donnchad ist erst vor kurzem von einer Pilgerreise ins Heilige Land zurückgekehrt, und seine Brüder sahen ehrfürchtig zu ihm auf, betrachteten ihn fast als einen Heiligen. Die mysteriöse Art und Weise, in der man ihn umgebracht hat, dürfte im ganzen Königreich, wenn nicht über dessen Grenzen hinaus, zu Aufruhr und Streitigkeiten führen.«
»Du kennst mich gut genug, Bruder. Ich widme mich jedem Fall, in dem es um einen unnatürlichen Tod geht, mit dem nötigen Ernst«, erwiderte Fidelma ruhig von ihrem Pferd herab.
»Daran hege ich keinen Zweifel«, entgegnete Colgú, »aber trotzdem, Bruder Donnchad war nicht einfach nur ein Gelehrter. Er hat unter seinen Füßen den Boden gespürt, auf dem auch Christus gewandelt ist und gepredigt hat. Allein deshalb ist er im ganzen Königreich hochgeachtet.«
»Ich will es beherzigen, Bruder«, versicherte Fidelma. Sie hob flüchtig die Hand und ritt durch die Tore des Palastes. Eadulf und Gormán trieben ihre Pferde an und folgten ihr. Sie ritten den Hügel hinab zur Siedlung, die sich im Schatten der grauen Mauern duckte, die den mächtigen Kalksteinfelsen umgaben. Eine ganze Zeitlang, auch als sie schon die Siedlung hinter sich ließen, trotteten sie gemächlich dahin und sprachen kein Wort. Dann fiel Fidelma mit ihrem Grauen in einen flotten Trab. Sie ritt ihr Lieblingspferd, ein Geschenk ihres Bruders, der es von einem gallischen Pferdehändler erworben hatte. Sie hatte es Aonbharr genannt, was so viel wie »der Unangefochtene« hieß; der Name ging auf das legendäre Ross von Manannán mac Lir, dem Meeresgott, zurück, das sowohl über Wasser als auch über Land galoppieren und weder von Mensch noch Gott getötet werden konnte. Aonbharr gehörte zu einer aus alten Zeiten stammenden Rasse mit kurzem Nacken, aufrechten Schultern und aufrechtem Körper, schlanker Hinterhand, üppiger Mähne und langem Schweif. Die Gallier und auch die Römer hatten diese Rasse als Schlachtrösser gezüchtet. Das Pferd war friedfertig und intelligent, aber was weit wichtiger war, es war wendig und ausdauernd. Es konnte schneller laufen als die Pferde, die Eadulf und Gormán ritten.
Fidelma und Eadulf hatten seit dem Vortag nicht weiter über ihren Streit und auch nicht über die Probleme, die dazu geführt hatten, gesprochen, und beide waren, jeder auf seineArt, froh, dass sie nicht allein waren; durch Gormáns Anwesenheit verbot es sich, das Gespräch darauf zu bringen. Eadulf betrachtete
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