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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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die beim Weitererzählen immer mehr ausgeschmückt werden.«
    »Und doch beruhen sie im Allgemeinen auf wahren Begebenheiten«, äußerte Eadulf.
    »Wie aber willst du feststellen, was davon wahr ist?«, fragte Fidelma gereizt.
    »Birgt die Legende als solche nicht eine eigene Wahrheit?«, stellte Gormán die Gegenfrage.
    Eadulf lachte. »Jetzt wirst du philosophisch, Gormán.«
    Der junge Krieger drehte sich zu ihm um, holte ohne Warnung aus und stieß Eadulf mit einem kräftigen Schlag vom Pferd. Noch im Sturz vernahm Eadulf ein zischendes Geräusch in der Luft. Unmittelbar hinter Eadulfs Pferd bohrte sich etwas in einen Baum. Gormán schrie Fidelma zu, abzusitzen und in Deckung zu gehen, und zog im gleichen Moment sein Schwert. Er jagte mit seinem Pferd auf eine Baumgruppe vor ihnen am Wegesrand zu.
    Fidelma erspähte eine Gestalt mit gespanntem Bogen, die im Begriff war, einen zweiten Pfeil abzufeuern, glitt von ihrem Pferd und kauerte sich nieder. Pfeifend schoss der Pfeil an ihr vorbei.
    »Bleib unten!«, warnte sie Eadulf, der sich aus dem Staub hochrappeln wollte.
    »Ist Gormán verrückt geworden?«, sagte der empört, denn er hatte nicht begriffen, dass ein Pfeil ihn fast zu Boden gestreckt hätte und jetzt im Baum steckte.
    »Er hat dir vielmehr das Leben gerettet«, erwiderte Fidelma grimmig, kam vorsichtig auf die Knie und hielt Ausschau. Ihr blieb keine Zeit, auf Eadulfs ungläubigen Ausruf zu reagieren, denn sie sah Gormán, sein Schwert schwingend, einen Mann bedrohen, der einen dritten Pfeil in seinen Bogen spannen wollte. Das Schwert traf ihn seitlich am Hals, und mit einem kurzen Aufschrei fiel er zu Boden. Ein zweiter Mann war auf sein Pferd gesprungen und preschte im Galopp davon. Gormán jagte ihm hinterher, gab aber bald auf, denn der Gaul des Widersachers war frisch und folglich schneller. Außerdem hatte er Bedenken, Fidelma und Eadulf allein zurückzulassen; man konnte nicht wissen, ob ihnen noch weitere Banditen auflauerten. Es war klüger, das Schwert wieder in die Scheide zu stecken und zu den beiden zurückzukehren. Als er bei ihnen anlangte, hatte der zweite Wegelagerer längst das Weite gesucht.
    »Tut mir leid, ich habe ihn nicht erwischt«, bekannte Gormán. »Aber ich würde ihn wiedererkennen. Ein hagerer Mann mit langem Haar weiß wie Schnee.«
    »Älter?«, fragte Fidelma.
    Gormán verzog kurz das Gesicht.
» Bánai «
, erwiderte er und benutzte ein Wort, das jemand beschrieb, dessen Haar, Haut und Augen eine unnatürliche Farbgebung haben. Nur zweimal hatte Fidelma einen solchen Menschen gesehen. Sie hatte das weiße Haar, die blasse Haut und das Rosa der Augen lebhaft vor sich.
    »Räuber, oder was glaubst du?«
    »Schwer zu sagen. Auf jeden Fall Mörder, denn wenn ihre Pfeile das Ziel nicht verfehlt hätten …« Er zuckte mit den Achseln.
    »Du hast mir das Leben gerettet, Gormán, ich hab dir zu danken …«, fing Eadulf unbeholfen an.
    »Ich habe nur meine Pflicht getan, Bruder Eadulf«, entgegnete Gormán rasch, ging zu dem Baum und zog den Pfeil heraus. Kopfschüttelnd betrachtete er ihn. »Nichts, das auf die Herkunft deutet. Gut gearbeitet, könnte aber aus der Hand von hundert beliebigen Pfeilschmieden stammen.«
    »Vielleicht gibt uns unser Beinahe-Mörder einen Hinweis«, meinte Fidelma.
    Gormán verzog zynisch den Mund. »Das bezweifle ich. Mein Schwert traf ziemlich tief.«
    Als sie bei dem Angreifer standen, sahen sie auf den ersten Blick, dass der Mann tot war. Er war weder jung noch alt, auch wenn sein Haar graue Strähnen hatte. Es war ziemlich kurz geschoren, das Gesicht sauber rasiert. Seine Haut war sonnengebräunt, ein Zeichen dafür, dass er sich überwiegend im Freien aufhielt. Das veranlasste Fidelma, sich die Hände näher zu betrachten. Sie zeigten keine Schwielen, wie man es von einem Landarbeiter erwartet hätte, waren aber auch nicht glatt wie bei einem Menschen, der nicht mit den Händen zupackte. Auch die Kleidung hatte nichts Auffälliges, war aus Fell und Leder wie bei einem Landarbeiter, deutete weder auf Wohlhabenheit noch auf Armut hin. Bei dem Toten fand sich keine Börse, nichts, was ihn auswies.
    Fidelma machte die anderen darauf aufmerksam, dass das Schwert, das der Tote am Gürtel hängen hatte, gediegene Handarbeit war, sehr wohl das Schwert eines Kriegers, kein billiger Zierrat. Um ein solches Stück zu erwerben, musste man schon etwas zahlen. Auch hatte er einen Dolch mit geprägtem Griff bei sich, wie ihn ein Landarbeiter kaum sein

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