Der Blutkelch
sondern auch Fürst der Cenel Conaill, eines Stammesverbandes der Uí Néill im Norden, und ein Heißsporn dazu. Er stachelte seinen Clan auf und ging mit Waffengewalt gegen den Hochkönig und seinen Brehon vor. Es kam zu einer grausamen Schlacht bei Cúl Dreimne am Fuße des Bergzugs Binn Ghulbainn. In dem Gemetzel fanden viele den Tod; die Krieger des Hochkönigs trugen den Sieg davon, und Colm wurde zur Strafe aus den fünf Königreichen verbannt. Er ging dann nach Iona.«
»Und ausgelöst wurde das Ganze dadurch, dass er ein Buch abschrieb?« Eadulf konnte es nicht fassen.
»Ist ein Buch nicht wertvoller als irgendein Metall?«, fragte Cumscrad. »Ein Buch ist wahres Leben, ist dem Geist eines Menschen entsprungen, enthält Wissen, Gedankengut, hat Macht, ist mächtiger als ein Klumpen Gold, denn ein Buch kann Menschen verändern.«
»Und einige Bücher können gefährlich sein«, warf Bruder Lugna drohend ein, der sich bisher an dem Gespräch nicht beteiligt hatte.
»Die Gesänge unseres führenden Barden der fünf Königreiche sind gewiss nicht gefährlich.« Fidelma stellte sich bewusst begriffsstutzig und fügte für Eadulf erklärend hinzu: »Dallán Forgaill starb vor etwa hundert Jahren, er gilt weit und breit als der größte Sänger der fünf Königreiche.Leider wurde er getötet, aus Eifersucht. Auch die Werke eines Dallán Forgaill sind Kostbarkeiten.«
»Wir können mit Stolz darauf verweisen, dass unsere Bibliothek über etliche sehr alte Handschriften verfügt«, brüstete sich Cumscrad. »Wir haben sogar einige Abhandlungen, die nicht dem ersten Bekehrungseifer für den Neuen Glauben zum Opfer fielen. Werke, die das Denken und Fühlen unserer Vorfahren widerspiegeln und die woanders im Zuge der Bücherverbrennung verlorengegangen sind.«
»Ketzerische Werke«, zischte Bruder Lugna böse. »Werke, die das Heidentum vergöttern.«
»Werke wie zum Beispiel die von Celsus?«, fragte Fidelma unschuldig.
»Genau! Es gibt nur ein Buch, das seine Berechtigung hat, und das ist das Evangelium, das den Glauben verkündet.«
Cumscrad sah den Verwalter fast mitleidig an und sagte leise:
» Timeo hominem unius libri
.«
Fidelma konnte dem Stammesfürsten nur anerkennend zunicken, bedeutete die Redensart doch: »Unheimlich ist mir der Mann mit nur einem Buch.« Sich mit jemandem anzulegen, der glaubte, die Aussage eines einzigen Buches reiche aus, um daraus ein Dogma zu machen, lohnte nicht.
»Bücher zu verbrennen ist ein Verbrechen gegen alle Kultur und Zivilisation«, brachte Eadulf die vorangegangenen Bemerkungen auf den Punkt.
»Dem kann ich nur zustimmen, Sachse.« Cumscrad begleitete seine Worte mit einem zynischen Lachen. »Das hätte man auch mal Patrick, dem Britannier, sagen müssen, der – will man seinem Freund und Biographen Benignus Glauben schenken – hundertachtzig Bücher der Druiden verbrennen ließ.«
»Bücher von Druiden! Vergötterung des Heidentums!«, geiferte Bruder Lugna erneut.
»Bücher, die hätten helfen können, unsere Vergangenheit zu verstehen, ohne die wir dazu verdammt sind, unwissend zu bleiben«, stellte Fidelma sachlich fest.
»Ketzerei!«, schnauzte der Verwalter. »Ich bin nicht gewillt, mir solch ein Gerede anzuhören.«
»Tu dir keinen Zwang an, deine Anwesenheit hier ist nicht erforderlich«, eröffnete ihm Fidelma ohne Umschweife. »Der Abt und ich werden gemeinsam beschließen, was im vorliegenden Fall zu unternehmen ist.«
Es war eine offene Kampfansage. Der Verwalter stand unschlüssig da, rang mit sich und starrte Fidelma herausfordernd an. Dann sah er das Feuer in ihren Augen, zögerte noch ein wenig und verließ wortlos den Raum.
Cumscrad grinste zufrieden. »Ein unangenehmer Bursche, Iarnla. Was hat dich geritten, ihn zu deinem Verwalter zu machen?«
Abt Iarnla schaute leidgeprüft zu Fidelma und machte eine hilflose Bewegung.
»Die gestohlenen Bücher, sagst du, waren Abschriften von Originalen?«, versuchte Eadulf den Stammesfürsten von dem unglücklich wirkenden Abt abzulenken.
»Über ein Jahr haben meine Schreiber gebraucht, um sie anzufertigen, allein das ist von einmaligem Wert.«
»Mein Bruder wird unnötiges Blutvergießen vermeiden wollen«, warnte ihn Fidelma. »Du solltest es tunlichst unterlassen, deinen Clan gegen Uallachán von den Uí Liatháin aufzuwiegeln, solange ich die Sachlage nicht habe untersuchen können. Ist das geschehen, werden wir den Fall Uallachán darlegen und ihm Gelegenheit geben, die Dinge aus seiner
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