Der Blutkönig: Roman (German Edition)
Kämpfer besser auf ihre schlimmsten Albträume vorbereiten.«
I M F LÜCHTLINGSLAGER WARTETE Esme, die Heilerin, bereits auf sie. Die blauäugige und rothaarige Esme war eine der Hofheilerinnen in Shekerishet gewesen. Soterius kannte sie schon seit Jahren. Schlank und groß war Esme, nur wenig kleiner als Soterius selbst. Sie war die Tochter eines Zinnhändlers, die aus eigener Kraft zu einer Position am Hofe aufgestiegen war. Viele Male war sie hinunter in die Kaserne gekommen, um die Wunden der Soldaten zu verarzten, und Soterius hatte schon bald herausgefunden, wie man sich Esmes Freundschaft sichern konnte: Esme respektierte Hauptleute, die ihre Soldaten vor vorhersehbaren Verletzungen bewahrten. Ihre Geringschätzung für die, die das nicht taten und die ihre Untergebenen für entbehrlich hielten, konnte verletzend sein. Sie im Flüchtlingslager entdeckt zu haben, war ein ganz besonderer Segen. Bei einer von Soterius’ Reisen zurück in Stadens Palast hatte Carina Soterius freudig mit Nachschub für Esme versorgt – mit Kräutern und Arzneien gegen Schlachtverletzungen, um das Leiden der Flüchtlinge zu erleichtern.
Esme wartete am Rand des Lagers auf die Rückkehr von Soterius und den anderen. Ein Schrei ertönte aus den Reihen der Wartenden, als sie erkannten, dass ihre Lieben nicht bei denen waren, die vom Hinterhalt zurückkehrten. Verängstigte Familienmitglieder drängten sich um die Soldaten und den Wagen und machten es der Gruppe schwer, den Platz im Zentrum des Lagers zu erreichen. Als sie anhielten, gingen Soterius und Mikhail nach hinten, um den Wagen auszuladen, während Tabb und Andras Esme halfen, Pritschen in einem der größeren Zelte einzurichten. Pell hielt in der Aufregung die Pferde still.
Die Trauernden schluchzten, als Soterius und Mikhail die Toten vorsichtig ihren Verwandten übergaben. Soterius beobachtete, wie die Witwen der drei Männer sich gegenseitig umarmten und weinten, er sah schluchzende Kinder, die sich an ihren Röcken festhielten. Und obwohl er ihnen versicherte, dass ihre Männer ehrenvoll gestorben waren, schmeckten diese Worte in seinem Mund wie Asche.
Soterius wandte sich um und ging dorthin, wo Esme und ihre kleine Gruppe von Kräuterfrauen und Heilerlehrlingen sich um die Verwundeten kümmerten. Die Heiler hatten schon jetzt große Linderung der Wunden erreichen können. Soterius wartete geduldig, während die Heiler arbeiteten und versuchte zu helfen, wie Carina es oft von ihm verlangt hatte. Denjenigen der Verwundeten, die bei Bewusstsein waren, lobte er kurz und sprach ihnen Mut zu. Mikhail stand derweil am Eingang des behelfsmäßigen Hospitals und versuchte, die Gaffer und Familienmitglieder in Schach zu halten, bis Esme und die Heiler ihre Arbeit beendet hatten. Als der letzte der Kämpfer versorgt und außer Gefahr war, brachte Soterius Esme in den hinteren Teil des Zelts. Der immer noch gefesselte Ashtenerath lag ruhig da, aber als er sie kommen sah, begann er wieder, sich zu winden und unverständliche Rufe auszustoßen. Esmes Augen weiteten sich und sie trat einen Schritt zurück, erschrocken von der Wildheit des Mannes.
»Tadrie hat ihn einen Ashtenerath genannt«, erklärte Soterius. Esme keuchte auf und schlug eine Hand vor den Mund.
»Wirklich?«
»Ich möchte, dass du bestätigst, dass er das ist. Und obwohl wir nicht wagen können, ihn freizulassen – er ist verwundet. Wir müssen ihn zusammenflicken.«
»Ich werde tun, was ich kann.«
Mikhail kam, um den Ashtenerath zu bewachen und hielt ihn an den Schultern fest. In den Augen des Mannes glitzerte purer Wahnsinn, und sein Gesicht war in animalischer Wut verzogen. Esme kniete sich neben dem gefesselten Mann hin und legte ihre Hand auf seine Stirn. Beinahe sofort sackte er bewusstlos in sich zusammen.
»Dieser ›Trick‹ hat sich bei Betrunkenen und Halbstarken, die eine Schlägerei suchen, als nützlich erwiesen.« Esme ließ ihre Hand auf der Stirn des Mannes liegen und runzelte die Stirn. Dann ließ sie ihre Hände über den verschnürten Leib des Mannes gleiten, um seine Wunden einzuschätzen. Für beinahe einen halben Kerzenabschnitt arbeitete sie daran, die schlimmsten seiner Wunden zu heilen. Dann setzte sie sich zurück auf ihre Fersen.
»Nun, das ist neu.« Sie schüttelte den Kopf und sah auf den nach wie vor bewusstlosen Gefangenen herunter.
»Was hast du herausgefunden?« Soterius beugte sich alarmiert herunter.
Die rothaarige Heilerin kaute auf ihrer Lippe herum, als sie
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