Der Blutkönig: Roman (German Edition)
sich noch einmal umzusehen und schloss die schwere Tür hinter sich. Aber er brauchte viele Kerzenabschnitte in dieser Nacht, um Schlaf zu finden, und als die Träume kamen, machten sie ihn ruhelos.
T RIS STELLTE FEST , dass nach seiner Rückkehr aus der Zitadelle beinahe ebenso viele Bittsteller auf ihn warteten wie vor der Wintersonnenwende. Er versuchte, seinen Pflichten als Seelenrufer genauso gerecht zu werden wie den Entscheidungen, die in Anbetracht der immer näher rückenden Reise nach Margolan immer drängender wurden. Sogar das Training mit Vahanian wurde dringender und Tris schmerzte nach den Kerzenabschnitten, die sie damit verbrachten, seinen Ostmark-Kampfstil – der sowohl Beweglichkeit als auch volle Konzentration brauchte – zu verbessern, jeder Muskel. Er verzweifelte daran, Vahanians Kunstfertigkeit immer ausreichend zu erwidern, auch wenn er heimlich stolz darauf war, dass er viele der komplizierten Bewegungsabfolgen bereits beherrschte. Nach dem Waffenboden schlossen sich die Lektionen mit Royster an, bis Tris’ Sicht verschwamm. Er war an mehr Nächten an seinem Tisch eingeschlafen, als er wahrhaben wollte – was seinen Verletzungen dann noch einen steifen Nacken hinzufügte.
Tris hielt jeden Abend Hof für die Geister, damit er auch die Bitten der Vayash Moru erfüllen konnte. Gabriel und Vahanian wechselten sich bei der Wache über ihn ab. Tris nahm die Leibwache kleinlaut hin, obwohl er Stadens Angebot, ihm mehr Wachen zuzuteilen, ablehnte. Er fürchtete, dass zu viele Soldaten die Bittsteller verscheuchen könnten. Es war früh im zweiten Monat, dem Hungermonat, als Tris das Heimweh stärker überfiel als je zuvor. Draußen fiel Schnee und bedeckte die Hügeltäler von Fahnlehen mit Schnee, der Pferden bis übers Sprunggelenk reichte.
»Hat dir das niemand gesagt?«, scherzte Tris mit Vahanian, als der Kämpfer seinen Mantel enger um sich zog. »Wir halten den Geisterhof drinnen. Du bist angezogen, als wolltest du durch den Schnee reiten.«
Vahanian zog eine Grimasse. »Jedes Mal, wenn wieder so ein Spuk auftaucht, sinkt die Temperatur noch um ein paar Grade mehr. Ich kann kein Schwert ziehen, wenn ich meine Finger nicht spüre.«
Tris kicherte. »Wenn dich die Kälte stört, dann solltest du das Gabriel sagen, bevor du nach Dark Haven gehst. Es ist am Fuß der Berge und in Anbetracht der Tatsache, dass die Statthalter alle … unbeeindruckt … von der Kälte sind, könnte es etwas dauern, genügend Feuer für einen sterblichen Bewohner zu richten.«
»Das klingt außerordentlich einladend«, murmelte Vahanian.
Eine Gruppe von Bittstellern wagte sich vor. Tris sah auf. Es war ungewöhnlich, dass gleich eine ganze Gruppe kam.
Ein Mann trat vor. »Heil Euch, Prinz Martris«, begann er und verbeugte sich tief. Er sprach Margolanisch mit dem Akzent der Midlands, aus der Nähe von Shekerishet. Sein blondes Haar war schmutzig und er hatte das grobknochige Aussehen eines Bauern. Auch wenn er nur rund zehn Jahre älter schien als Tris, waren seine Hände schon breit von harter Arbeit.
»Wenn es Euer Hoheit gefällt, dann hört meine Bitte.«
»Sag mir, was du wünschst.«
»Mein Name ist Nasha. Wir sind gekommen, Euch um Hilfe zu bitten«, sagte der Mann. »Wir sind die Familien der Scirranish , der Verschwundenen.« Das Wort, das er benutzte, » Scirranish «, war eines aus alten Legenden, wo es »die von Monstern geholt worden sind«, bedeutete. Tris sah, dass Vahanian aufmerksam zuhörte.
Hinter Nasha drängten sich Menschen, eine Gruppe von mindestens zwanzig zerlumpten Männern und Frauen. Die Trauer hatte sich tief in ihre Gesichter gegraben. Tris schätzte aufgrund ihrer lehmverschmierten und zerrissenen Kleidung, dass es Flüchtlinge waren. Die meisten waren für das eiskalte Wetter viel zu dünn angezogen, ihre Gesichter und Hände waren von der Kälte gerötet.
»Wir lagern drei Tagesritte von hier entfernt, gleich hinter der Grenze zwischen Margolan und Fahnlehen«, erzählte Nasha. »Wir kommen von überall in Margolan, aber unsere Geschichte ist dieselbe. König Jareds Soldaten sind in unsere Dörfer gekommen und haben uns aus den Betten gezerrt. Einige haben sie als Vayash Moru verbrannt, obwohl sie sterblich waren. Einige der Männer haben sie als Spione exekutiert, für das Verbrechen, ein Schwert zu besitzen. Unsere Jungen haben sie in die Armee gesteckt, unsere Töchter für ihre Lust missbraucht und unsere Winterernten für ihre Bäuche requiriert. Den Rest von
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