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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Handtuch bekleidet die Tür zum Gästebungalow des Statthalters geöffnet hatte. Bereit, sie notfalls auch mit Gewalt vor Carls Soldaten zu schützen. Ihr wurde warm und ihr Herz klopfte unverschämt schnell. Für romantische Erinnerungen war aber keine Zeit. Warum ließ jemand ein solches Erbstück zurück, wenn er nichts anderes als einen Betrug im Sinn hatte? Noch dazu an einer kostbaren Kette, die er eigenhändig um ihren Hals gelegt haben musste. Fast so, als wolle er ganz sicher gehen, dass sie dieses Unterpfand, keine andere Bezeichnung fiel ihr dafür ein, auch wirklich erhielt. Natürlich war nicht auszuschließen, dass ihm der Ring gar nicht gehörte. Aber das mochte sie nicht glauben. Zugegeben, die meisten Dunkelelfen, die sie kannte, hätten dieses Symbol ihrer adligen Abstammung stolz am Finger getragen. Nicht so Morgan. Doch ganz schien er mit seiner Vergangenheit nicht brechen können, so sehr er sich dies vielleicht auch wünschen mochte. Sein Verhalten passte in das Bild von ihm, das sie immer deutlicher vor sich sah. Vermutlich hatte sie den Ring deshalb nie bemerkt, weil er nicht wollte, dass jemand, sogar die Frau, der er Liebesschwüre ins Ohr geflüstert hatte, davon wusste. Was wieder einmal bewies, wie naiv sie gewesen war, ihm zu vertrauen. In einem war sich Vivianne trotz all der Spekulationen sicher. Wenn sich ein solcher Siegelring mit dem Familienwappen dieser Waliser Dunkelelfen rechtmäßig in seinem Besitz befand und er eine Sprache sprach, die, obwohl Vivianne sie nicht verstehen konnte, deutlich keltische Wurzeln hatte, dann gehörte Morgan zu diesem Clan.
    Großartig. Und sie hatte ihn die ganze Zeit für einen geschaffenen Vampir gehalten, weil er abfällig über Dunkelelfen und die Arroganz dieser geborenen Vampire sprach – und weil sie offensichtlich eine dumme Gans war, die diese Vorurteile durch ihr eigenes Verhalten auch noch bestätigt hatte. Vivianne hätte sich am liebsten selbst gebissen. Andererseits erkannte sie jetzt die wahre Bedeutung von Sebastians Entschuldigungsversuch. Sie hatte angenommen, er habe seine Haltung zu geschaffenen Vampiren im Lauf der Freundschaft mit Morgan geändert. Tatsächlich war er, ebenso wie sie selbst, von Morgan über dessen wahre Herkunft getäuscht worden. Was nicht schwierig gewesen sein dürfte, denn Sebastian war mindestens ebenso dünkelhaft wie sie selbst. Das hatte Vivianne beim Empfang des Statthalters am eigenen Leib erfahren. Er hatte sie wie leichte Beute behandelt, etwas, was ihrer Mutter, geschätzte und gefürchtete Gattin des Clan-Chefs der Causantíns, niemals passiert wäre.
    Aber ich habe mich geändert. Und das konnte Morgan auch. Ihr war es inzwischen längst gleichgültig, woher er stammte, ob er eine Familie hatte oder nicht. Für sie zählte nur, dass sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt hatte und den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen wollte. Sie war heilfroh, dass er seinen Ring zurückgelassen hatte. Ohne dieses Zeichen hätte sie die schockierenden Entdeckungen in seiner Wohnung falsch gedeutet. Es gab keine Zweifel mehr, sie spürte die Gewissheit in jeder Faser ihres Körpers: Morgan war ihr Seelenpartner. Und dieser Ring, sie drehte ihn nachdenklich zwischen den Fingern, der Ring war ein Versprechen. Sie hoffte, das Versprechen wiederzukommen. Aber wenn Morgan den Blutkristall in der Hoffnung genommen hatte, Edna aus ihrer wahnhaften Existenz zu befreien, dann konnte es auch bedeuten, dass er Abschied genommen hatte. Vivianne spürte ein Frösteln in ihren Knochen und wusste mit absoluter Sicherheit, dass sie hierin nicht irrte. Oh nein, mein Lieber. Dabei habe ich auch ein Wörtchen mitzureden! Sie musste ihn finden, und zwar schnell. Ihr Instinkt sagte ihr, dass nicht mehr viel Zeit blieb, ihre gerade erst gefundene Liebe zu retten.
    Nabrah? Jetzt hätte sie die Dienste des Raben gut gebrauchen können. Er hatte bisher immer gewusst, wohin sie ihre nächsten Schritte lenken sollte, aber leider zeigte er sich in Situationen wie diesen meist erst dann, wenn sie selbst schon auf dem richtigen Weg war. Also gut . Sie überlegte. Einfach war es gewiss nicht, mit einer wild gewordenen Vampirin im Schlepptau unauffällig durch Berlin zu laufen, und die Zwischenwelt hätte Ednas Wahnsinn womöglich noch verstärkt. Diese unberechenbare Dimension konnte diese Wirkung auf mental angeschlagene Wesen haben, und Vivianne war überzeugt davon, dass auch Morgan dies wusste. Er hatte allerdings häufiger die

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