Der Blutkristall
Dienste des Taxifahrers aus dem Limbus in Anspruch genommen. Mit ein wenig Glück konnte dieser Per Obscurus ihr einen Tipp geben. Und wehe, du spielst nicht mit, mein Freund , dachte sie und rannte schon die Stufen hinunter auf die Straße.
Als die nette Verkäuferin aus dem Geschäft gegenüber ihre Ladentür öffnete und Vivianne zuwinkte, wollte sie schon so tun, ab habe sie nichts bemerkt, lief dann aber doch zu ihr hinüber. Bevor sie etwas sagen konnte, sprudelte die Frau schon los: «Suchst du deinen Freund?» Sie wirkte aufgeregt. «Dieser schnuckelige Vampir, der dort in der Fabrik wohnt. Er ist doch dein Freund?»
Vivianne war sprachlos. «Vampir?», fragte sie vorsichtshalber, nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte. Ihr Lachen klang ein wenig hysterisch. «Wie kommst du denn auf diese Schnapsidee?» Die Frau lächelte verschmitzt, und als Vivianne genauer hinsah, meinte sie die Haut der Frau in einem merkwürdigen Ton schimmern zu sehen. Sterbliche waren jedenfalls weder grün noch lugten überspitze Ohren aus ihrem seegrasfarbenen Haar, das stand fest.
«Ich sehe, du verstehst. Aber wer ich bin, ist gleichgültig. Viel wichtiger ist, was ich gesehen habe.»
Vivianne hoffte, dass man ihr das Erstaunen nicht allzu deutlich ansah. Wie peinlich, sie hatte es die ganze Zeit mit einer Fee zu tun gehabt und nichts bemerkt. Wahrscheinlich klang ihre Antwort deshalb so unfreundlich. «Was?»
Aber die Fee nahm es ihr nicht krumm, sondern begann zu erzählen: «Erst ist ein Luxusschlitten mit getönten Scheiben vorgefahren. So etwas sieht man hier nicht häufig.»
Vivianne war überzeugt davon, dass dem so war, hielt aber gerade noch rechtzeitig den Mund, bevor sie eine abfällige Bemerkung machen konnte. Die Zeiten sind vorbei . Sie wollte die Fee um Himmels willen nicht vom Erzählen ablenken.
Und tatsächlich sprach diese atemlos weiter: «Ich habe aus dem Fenster gesehen, konnte aber nicht erkennen, wer ausgestiegen ist. Er war sehr erfahren.» Bewunderung klang in ihrer Stimme und dann schwieg sie, offenbar dachte sie über die geheimnisvolle Magie des Limousinenbesitzers nach.
Vivianne dagegen kamen sofort der Statthalter oder Carl in den Sinn. Das konnte nichts Gutes bedeuten. «Und weiter?»
«Er ist hineingegangen. In den Hof des Vampirs, meine ich.»
«Du tätest mir einen großen Gefallen, wenn du ihn nicht mehr so nennen würdest. Sein Name ist Morgan.»
«Oh, das klingt hübsch.»
«Ja, sehr.» Vivianne trat von einem Fuß auf den anderen, glücklicherweise erbarmte sich die Fee ihrer und erzählte weiter: «Der Typ kam bald wieder heraus. Er hatte einen Sack oder etwas Ähnliches über der Schulter. Ich kann mich irren, aber ich glaube, das Ding hat sich bewegt.»
«Edna!»
«Wie bitte?»
«Egal. Bitte, was ist dann passiert?»
«Der Wagen raste los und im gleichen Augenblick kam der Vam... – kam Morgan aus der Tür. Und du wirst es nicht glauben ...» Sie machte eine dramatische Pause, und Vivianne hätte bei aller Dankbarkeit am liebsten losgeschrien. «Ja?», fragte sie schrill und hielt ihre Hände ganz dicht am Körper.
«Er hat sich einfach mitten auf der Straße in Luft aufgelöst.»
«Scheiße!»
«Das kannst du wohl laut sagen. Du hast ja keine Ahnung, wie schwierig es war, diesen drei Kids von nebenan die Erinnerung daran zu nehmen. Du kannst deinem Freund ausrichten, er schuldet mir was. Andere hätte ihn gleich an den Rat verpfiffen, und wenn erst mal so ein Vengador ...»
«Ja, ja!» Vivianne holte tief Luft. Das beruhigte sie seltsamerweise auch noch Jahre nach ihrer Transformation. «Entschuldige!» Sie bemühte sich um einen ruhigen Ton. «Es muss etwas Schreckliches geschehen sein, sonst hätte er das niemals getan. Hast du eine Ahnung, wohin der Wagen gefahren ist?» Das hatte sie nicht, aber als sich Vivianne auf gut Glück nach einer Kneipe namens «Limbus» erkundigte, wurde die Fee hellgrün und flüsterte: «Dort trifft sich der Untergrund. Illegale und Streuner, wenn du weißt, was ich meine.» Vivianne hatte nach dieser Eröffnung wenig Hoffnung, mehr zu erfahren. Dennoch fragte sie ihre Informantin, ob sie die Telefonnummer für die Kneipe habe. Die Fee winkte sie in ihren Laden, wühlte in einem Kästchen und drückte ihr schließlich einen Zettel in die Hand. Als Vivianne nach dem Telefon greifen wollte, flüsterte sie: «Nein, nicht hier!» Sie schob die verdutzte Vampirin aus ihrem Laden.
«Du bist ziemlich grün», wollte Vivianne sie noch
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