Der Blutmond
nicht zu. Er war ein Mann und wollte seine Beute erobern und sie nicht bereits erlegt auf seiner Türmatte vorfinden. Kein Jäger hatte Freude daran, wenn sich seine Beute freiwillig vor die Flinte warf.
Seit jener Nacht, in der er Mimma im Entity of Night zum ersten Mal begegnet war und sich in ihren endlos tiefen Augen verloren hatte, war seine Suche beendet. Sie hatte das gewisse Etwas, was er bei all den anderen Eroberungen vermisste. Er wollte sie haben und dafür wäre er bereit gewesen, alles zu tun, was nötig war.
Und da sein Wunsch nun endlich erfüllt wurde, war sein Glück perfekt.
Natürlich hatte keiner der Beiden vorher ahnen können, dass sie zwei unterschiedlichen Arten angehörten, die sich schon bekämpft hatten, als die Zeitrechnung der Menschheit auf Erden begann. Wesen, die man nur aus Comics, Büchern und Filmen kannte, an deren Existenz man nicht einmal im Traum geglaubt hätte.
Doch da waren sie nun. Ein Werwolfsjunge und ein Vampirmädchen, die gegen alle Gesetze verstießen, die es wohl gab. Eine moderne Version von Romeo und Julia, nur mit übernatürlichen Wesen. Eine geheime und romantische Liebe, die aber nicht mit dem Tod der Liebenden enden durfte.
Raven war willens, sich jeder Herausforderung zu stellen, um seine geliebte Mimma nicht mehr zu verlieren. Doch bis sie sich endlich wieder sahen, musste er sich mit der neuzeitlichen Version von Liebesbotschaften zufrieden geben, um den süßen Trennungsschmerz zu lindern. Anstelle von Liebesbriefen gab es schlüpfrige Textnachrichten und Liebesbekundungen via Smartphone. Der Vorteil daran war, dass er nicht Tage auf eine Antwort von Mimma warten musste, denn eine virtuelle Nachricht traf binnen Sekunden beim Empfänger ein. Sein Mobiltelefon lag stets in seiner Nähe, immer griffbereit, mit einem sehnsüchtigen Blick auf das dunkle Display, in der Hoffnung, eine Nachricht von ihr zu erhalten.
Da es nicht den Anschein hatte, dass sich an diesem Abend noch weitere Gäste einfinden würden, beschloss Raven als Inhaber kurzerhand, Feierabend zu machen. Er räumte das Geschirr weg, wischte Tische und Tresen ab und verriegelte die Eingangstür. Nachdem er die Lichter ausgeknipst hatte, begab er sich in seine Wohnung, um den Abend gemütlich vor dem Fernseher ausklingen zu lassen. Zwar hätte er mit Freunden auf die Piste gehen können, doch ohne Mimma hatte er zu nichts so recht Lust.
Mit einer Tüte Kartoffelchips und einem kühlen Bier machte er es sich auf seiner Couch bequem. Das Fernsehprogramm gab nicht wirklich viel her. Die Wahl fiel auf einen anspruchslosen Actionfilm, von dem er kaum etwas mitbekam.
Seine Gedanken waren weit weg, bei Mimma, als jemand wie wild geworden gegen seine Haustür trommelte.
Die unerwartete Ruhestörung ließ ihn aufgeschreckt von der Couch hochfahren. Starrte er gerade noch gedankenverloren auf das bunte Treiben des Flimmerkastens, so war nun seine gesamte Aufmerksamkeit auf die Tür gerichtet. Die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. In diesem Moment fühlte er sich wie ein Hund, der sich zu seiner vollen Größe aufrichtete, um seinem Gegner zur Warnung seine Aufregung und Aggression zu demonstrieren.
Mit angespannten Muskeln und geballten Fäusten wartete er auf ein weiteres Zeichen, denn das Trommeln gegen die Tür ebbte ab und verstummte zu einer bedrohlichen und unheimlichen Stille.
Hatten Ardric Donovan und die anderen Vampire herausgefunden, dass er und Mimma eine heimliche Beziehung hatten?
War dies nun das Todeskommando, das zu ihm gesandt wurde, um der verpönten Liebelei ein Ende zu setzen?
Raven blickte seinem Tode mutig entgegen, denn er wusste, dass er es niemals gegen mehrere Vampire aufnehmen konnte. Er hatte keine Angst davor zu sterben. Doch er wusste auch, dass sein Ableben nicht ungesühnt bleiben würde. Sein Vater und die anderen Rudelmitglieder würden sich rächen und ein unerbittlicher Kampf würde ausbrechen. Alle Versuche, Vampire und Werwölfe zu versöhnen, und den Krieg endlich zu beenden, würden mit seiner unnötigen Ermordung hinfällig werden.
Das Einzige, was ihn traurig stimmte, war die Erkenntnis, dass er seine geliebte Mimma niemals wiedersehen würde.
Was würde nun mit ihr geschehen?
Würden sie sie bestrafen, oder hatten sie ihr bereits wehgetan?
Raven war auf alles gefasst, nur nicht auf das.
"Mach endlich die verdammte Tür auf, oder ich werde sie eintreten!", raunte eine tiefe Stimme. Zwar
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