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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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dabei, als der Hof abbrannte und als Hinrik versuchte, zwei Wachmänner aus den Flammen zu retten.«
    »Das ist richtig«, bestätigte der ehemalige Knecht. Evers warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
    »Schade um Hinrik. Eigentlich mochte ich ihn ganz gern. Aber wenn jetzt der Henker auf ihn wartet, ist er bestimmt nicht unschuldig.« Evers kratzte sich am Ohr. »Und wenn er morgen hingerichtet werden soll, ist es ohnehin zu spät. Also verschwindet und lasst Hans in Ruhe.«
    Greetje griff in ihre Tasche und holte einige Münzen daraus hervor. »Hier sind sechs Witten. Ich gebe sie Euch, wenn Ihr Hans mit uns gehen lasst. Er wird morgen Abend wieder zurück sein. Das ist mehr Geld, als Ihr ihm in zwei Wochen bezahlt. Ein besseres Geschäft könnt Ihr nicht machen.«
    Ole Evers kratzte sich erneut am Ohr. Er schien unter starkem Juckreiz zu leiden. Seine Augen begannen gierig zu funkeln.
    »Sieben Witten«, forderte er, »und Hans kann gehen.«
    »Sechs oder gar nichts«, antwortete Greetje, die sich standhafter gab, als sie sich fühlte.
    Er sah sie nachdenklich an und kam offenbar zu dem Schluss, dass er sie nicht umstimmen konnte.

|268| Auf dem Grasbrook
    Seit Stunden wartete er auf den entscheidenden Moment. Dennoch zuckte er zusammen, als der schwere Eisenriegel klirrend zur Seite glitt und die Tür aufschwang.
    Es war der Anfang vom Ende. Die Wachmänner ließen die gleichen Worte verlauten, die er schon einige Male gehört hatte. Wie ein Ritual. Nur dass sein Name bislang nicht dabei gewesen war.
    »Es ist so weit, Berent, Schalck und du da, Hinrik vom Diek. Raus mit euch. Der Henker wartet auf euch.«
    Schalck wimmerte vor Angst und Verzweiflung. Er war ein junger Mann, der, von Hunger geplagt, einen Händler überfallen und schwer verletzt hatte. Das blonde Haar hing ihm in Strähnen vom Schädel herab. Seine lange Nase war stark gerötet. Er hatte die ganze Nacht über gehustet und geschnieft.
    »Worauf wartest du, Schalck? Das Schwert des Henkers ist die beste Medizin gegen deinen Schnupfen. Wenn es gesprochen hat, plagt dich deine Erkältung nicht mehr!« Der Wächter lachte über seinen eigenen Scherz. Er packte Schalck an seinem Wams und riss ihn hoch. Der Blonde stürzte auf den Boden. Er versuchte, in eine Ecke zu kriechen, um sich in Sicherheit zu bringen, doch der Wächter trieb ihn mit Fußtritten zur Tür, wo er von einem anderen Wachmann in Empfang genommen wurde.
    Mit tief gesenktem Kopf schleppte sich Berent zum Ausgang. Er war alt und so schwach, dass er kaum die Füße heben konnte. Sein Gesicht war ausdruckslos. Er |269| hatte längst Abschied vom Leben genommen. Das Henkersschwert war kaum noch von Bedeutung.
    Bevor die Wachen ihn hochzerren konnten, stand Hinrik vom Diek auf und ging festen Schrittes zur Tür. Als einer der Wachmänner die Hand nach ihm ausstreckte, wehrte er ihn ab. »Nicht nötig«, sagte er. »Ich komme. Niemand braucht mich zu treiben.« Er brachte gar ein Lächeln zustande. »Als Ritter habe ich dem Tode mehr als einmal ins Antlitz geschaut. Glaub mir, er ist gar nicht so schrecklich, wie ihr denkt. Die Angst vor ihm ist mächtiger als er selbst.«
    »Mag ja sein«, erwiderte der Wächter. »Tauschen möchte ich aber nicht mit dir.« Er lachte laut und dröhnend, und dann stieß er Hinrik die Faust in den Rücken, um ihn anzutreiben. »Beeil dich. Der Henker wird nach Stückzahl entlohnt, und er hat keine Lust, länger zu warten als notwendig.«
    Hinrik stieg die Stufen hinauf und war sich bewusst, dass er mit jedem Schritt seinem Ende näher kam. Er faltete die Hände vor dem Bauch und betete. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er seinem Schöpfer gegenüberstand. Er wollte darauf vorbereitet sein.
    Bevor er auf den Hof hinaustrat, schloss er die Augen, um nicht geblendet zu werden. Der Tag war hell. Er fühlte, wie die Sonne ihn erwärmte, und er hörte einige Möwen schreien, die hoch über ihn hinwegzogen. Vom nahen Fischmarkt wehte der Geruch von Fisch und Salz.
    Die Wachen führten ihn zu einem Karren und stießen ihn zu Schalck und Berent hinauf, die zusammengekauert auf den Bohlen hockten. Kaum saß er neben ihnen, als eine Peitsche knallte. Schnaubend legte sich ein Pferd ins Geschirr und zog den Karren mit einem Ruck an. Die Scharniere eines großen Tores knarrten, und plötzlich schlug ihm der Lärm aufgeregter Stimmen entgegen.
    |270| »Sie kommen!«
    »Sieh sie dir an. So sehen Mörder aus!«
    »Ihre Köpfe werden rollen.«
    »Gott sei ihrer Seele

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